Von Dario Herzog
Und schon wieder Ursula von der Leyen: Der von ihr verursachte Skandal „Pfizer-Gate“ ist zwar schon länger bekannt, aber jetzt ermittelt mal keine deutsche weisungsgebundene Justiz, sondern die Europäische Staatsanwalt, kurz EPPO (European Public Prosecutor’s Office). Bislang ist das mittlerweile höchstpositionierte Pferdchen von Angela Merkel zwar immer ungeschoren davongekommen. Aber nun könnten endlich politisch unabhängige Ermittlungen geführt werden, der Druck könnte wachsen – besonders vor der EU-Wahl. Und ein Unglück – für Uschi v. d. Leyen – kommt selten alleine: Eine gut dotierte Personalie sorgt ebenfalls für „Unmut“ unter den EU-Partnern.
Was war geschehen?
Das zum Springer-Konzern gehörende und überaus einflußreiche US-Nachrichtenportal Politico berichtete jüngst über Ermittlungen gegen EU-Kommissionschefin von der Leyen wegen des mutmaßlich unseriösen Zustandekommens der Verträge mit dem Pharmariesen Pfizer während der angeblichen Corona-Pandemie. „Führende europäische Staatsanwälte untersuchen laut dem US-Politportal „Politico“ ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Fehlverhalten im Zuge der Impfstoffverhandlungen zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und dem CEO von Pfizer, Albert Bourla“, berichtet beispielsweise die Volksstimme als eines der wenigen deutschsprachigen Medien, die den Sachverhalt überhaupt thematisieren. „Unsere Ursula“ im Fokus der Ermittlungsbehörden? Und das sorgt nicht für Sondersendungen oder prominente Artikelplatzierungen im deutschen Systemmedienbrei? Das Interesse in der restlichen EU ist indes weitaus ausgeprägter.
Die Ermittlungen
Ursprünglich führten die Ermittlungen die belgischen Justizbehörden in Liège. Der Lobbyist Frédéric Baldan hatte Strafanzeige erstattet. Das erweckte Aufsehen und die Regierungen von Ungarn und Polen, welch Überraschung, schlossen sich der Anzeige an – wobei ein polnischer Regierungsvertreter der neuen polnischen Regierung gegenüber Politico ankündigte, die Anzeige zurückzuziehen. Egal, die Ermittlungen laufen! Konkret geht es – wieder einmal – um SMS-Nachrichten. So schreibt der Fokus: „Im Mittelpunkt der Beschwerde von Baldan stand ein angeblicher Austausch von Textnachrichten zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla im Vorfeld des größten Impfstoffgeschäfts der EU 2021 auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie. Der Deal, der über 20 Milliarden Euro wert war und ursprünglich als großer Erfolg von der Leyens betrachtet wurde, zog bald durch die Menge an erwirtschafteten Impfdosen skeptische Blicke auf sich. 2023 wurde bekannt, dass mindestens vier Milliarden Impfdosen verschwendet wurden.“ Das könnte politischer Sprengstoff in Brüssel sein, denn die Partikularinteressen der verschiedenen Parteien, Lobbygruppen, Staaten etc. könnten verschiedener nicht sein. Und von der Leyen ist nun einmal wahrlich nicht beliebt – noch nicht einmal in ihrer eigenen Parteiengruppe, der EVP. Kritiker argwöhnen, die Kommissionschefin habe in den fraglichen Textnachrichten selbstherrlich Details des auf 20-Milliarden-Euro taxierten Deals mit Pfizer ausgehandelt.
Textnachrichten abhanden gekommen
Der Anzeigenerstatter Frédéric Baldan warf von der Leyen „Einmischung in öffentliche Funktionen, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikte“ vor. Und da war es wieder: SMS sollen gelöscht worden sein. Das warf man ihr bereits als Arbeitsministerin und auch als Verteidigungsministerin vor. Sollte der Vorwurf stimmen, scheint es ein Muster zu geben. Dass jemand meint, man könne mit SMS-Nachrichten Ministerämter oder ganze Staatenbünde wie die EU regieren, läßt tief blicken. Transparenz und das Einhalten von demokratischen Spielregeln sehen anders aus. Apropos Transparenz, die Berliner Zeitung schreibt dazu: „Von der Leyen hat es bisher vermieden, das Thema auch nur anzusprechen. Auch gegenüber der EU-Ombudsfrau lehnt es die Präsidentin der Kommission ab, Auskunft zu geben.“ Und von der Leyen selbst? Sie wiegelt ab: „Alles Notwendige dazu wurde gesagt und ausgetauscht. Und wir werden auf die Ergebnisse warten.“
Selbstherrliche Ernennung? „Piepergate“
Ein zweiter Schuh dürfte Ursula von der Leyen ebenfalls drücken: Die bekanntgewordene Personalie Markus Pieper sorgt für weiteren Ärger. Von der Leyen hatte den CDU-Parteikollegen, bisher EU-Parlamentarier, zum Mittelstands-Beauftragten gekürt. Der Haken dabei: „Der Mittelstandssprecher der CDU/CSU-Gruppe habe beim Auswahlverfahren „mit Abstand schlechter abgeschnitten“ als die anderen zwei Bewerberinnen, die es in die Endauswahl geschafft hatten“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund beispielsweise der Mainpost und brachte es auf den Punkt. Hat der Parteifreund den Job nur wegen seiner Parteizugehörigkeit erhalten? Das würde zu dem passen, was politische Beobachter schon lange über die Bürokratie in Brüssel sagen, nämlich, dass Vetternwirtschaft, das „Vitamin B(eziehung)“, das A und O in Brüssel ist. Von demokratischer Kontrolle weit und breit nichts zu sehen.
Kontrolle fehlt
Nur wegen der EU-Wahl, fälschlicherweise vom politisch-medialen Komplex „Europawahl“ genannt, wobei rund die Hälfte der Staaten in Europa der EU gar nicht angehören und daher nicht an der Wahl teilnehmen, werden die Vorwürfe – zumindest im europäischen Ausland – in den Medien thematisiert. Aber für bundesrepublikanische Medien scheint es nicht gewollt zu sein, offenbar möchte man „unsere“ Ursula nicht beschädigen. Kein Wunder, dass Fabio de Masi, Ex-EU-Abgeordneter der Linken und heute Spitzenkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zur Europawahl findet:
„Man könnte in Deutschland tatsächlich zuweilen das Gefühl bekommen, es gäbe eine Nachrichtensperre zu den Ermittlungen der europäischen Staatsanwaltschaft zu von der Leyens Pfizer-Deal. Im Ausland ein grußes Thema, in Deutschland mediales Wirecard-Niveau (vor der Insolvenz)“
Man kann nur hoffen, dass rechtsstaatliche Maßstäbe bei Justizbehörden, die nicht politisch weisungsgebunden sind, nun angewandt werden, völlig unahängig von der Person. Denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…
Beitragsbild / Symbolbild: Alexandros-Michailidis / Shutterstock.com
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