Von Dario Herzog

Nun ist es raus: Es wird eine neue Partei geben. Eine? Oder gleich zwei? Langsam, langsam! Etwa jeder fünfte stimmberechtigte Bürger könnte sich einer Umfrage zufolge grundsätzlich vorstellen, eine neue Partei unter Federführung von Sahra Wagenknecht zu wählen. Den meisten Zuspruch könnte sie wohl von Anhängern der Linkspartei erwarten, heißt es. Das würde den parlamentarischen Tod der umbenannten SED bedeuten – eine erfreuliche Nachricht für alle, die rechts der Linkspartei stehen.

Peinliche Linkspartei
Es ist schon peinlich, wie die Linkspartei trotz der viel diskutierten Gründungsabsichten von Wagenknecht, die von medialer Seite regelrecht hochgeschrieben werden, am Nasenring vorgeführt wird. Kein Wunder, wenn noch drei Abgeordnete die Bundestagsfraktion der Linkspartei verlassen, würde aus der Fraktion eine Gruppe. Und eine solche hätte gegenüber einer Fraktion nur bescheidene parlamentarische Rechte. Zudem würde die Gruppe auch weniger Mittel zur Verfügung haben – das heißt: ein erheblicher Teil des Personals müsste eingespart werden. Erfreuliche Aussichten! Aber was in den Medien der Systempresse nicht thematisiert wird, ist für die Gesäßgeographie des parlamentarischen Systems weitaus interessanter. Die Linkspartei würde insgesamt geschwächt, dadurch zahlreiche ihrer Landesverbände ebenso und folglich könnten diese für Dreier-Koalitionen auf Landesebene nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch im Bund könnte Rot-Grün nicht damit kokettieren, zur Not mit der Linkspartei anstatt mit der FDP zu koalieren. Das Demokratie-Hütchenspiel hätte zumindest eine bisherige Partei weniger.

Realistische Parteigründung oder nicht?
Allerdings hatte Wagenknecht bereits im Jahre 2018 die linke, parteiübergreifende Sammelbewegung „Aufstehen“ ins Leben gerufen und war damit kläglich gescheitert. Im Internet schlossen sich viele an, unterzeichneten, in der harten Wirklichkeit bildete sich aber nichts an wirklichen Strukturen heraus. Das Projekt scheiterte. Wagenknecht blieb – vorerst –  in der Linkspartei. Das Szenario ist 2023 oder 2024 nicht viel anders einzuschätzen. Vorerst würde die Partei eine „One-Man-Show“ sein. Das Zugpferd Wagenknecht müsste eine komplette Parteineugründung stemmen. Gut, einige Personalien zirkulieren bereits, so beispielsweise Ulrike Guérot, die eigentlich eine konservative Vita hatte, früher im RCDS strikt antilinks war, sich aber bei der Bewertung des russisch-ukrainischen Konfliktes mit Wagenknecht einig ist. Aber ob ein paar prominente und semi-prominente Namen ausreichen? Wichtig wären tatkräftige und zahlreiche Mitstreiter, die an der Basis Wahlkämpfe führen können. Das nur mit dem Namen Wagenknecht zu erreichen, ist kaum schaffbar, erst recht nicht, wenn man auch noch Geld für teure Wahlkämpfe auftreiben muss. Lediglich von den Medien ist große Zustimmung zu erwarten, bereits jetzt ist es nicht denbar, dass Sahra Wagenknecht aus dem deutschen Talkshow-Dickicht entfernt werden könnte. Aber auch auf sie selbst kommt es an. Nach früheren ernsten Erkrankungen mit temporärem Rückzug ins Private müsste ihre Physis auch im Angriffsmodus dauerhaft funktionieren. Ob sie das kann?

Feindbild AfD
Wie dem auch sei, der politisch-mediale Komplex hat ein großes Interesse an einer Wagenknecht-Partei. Denn eine solche würde die AfD-Wahlergebnisse angeblich um ein Drittel reduzieren. Denn von den bisherigen AfD-Anhängern könnte sich fast jeder Dritte (29 Prozent) vorstellen, Wagenknecht zu wählen, so eine aktuelle Studie. Aus der Sicht der Etablierten ist das genau das, was man will und aktuell auch braucht: die AfD „entzaubern“, endlich ihren Höhenflug beenden. Die Wagenknecht-Partei hätte damit die Funktion eines nützlichen Idioten. Allerdings würde sie auch im sonstigen linken Bereich fischen – bis hin zur CDU.  Aber ist es realistisch, dass die AfD-Werte um ein Drittel schrumpfen? Die AfD ist eine Volkspartei geworden, repräsentiert unterschiedliche Flügel, ihre Kritik richtet sich breitflächig gegen das Etablierte. Die AfD-Binnendiskussion um erfundene Bildungsabschlüsse zeigt – leider – exemplarisch, dass die Partei derzeit nahezu jeden aufstellen kann, denn sie wird für ihre Anti-Establishment-Politik gewählt, ganz gleich, ob die Kandidaten Lucke, Petry, Meuthen oder Weidel heißen. Wer weniger Euro im Geldbeutel hat, wer der Überfremdung überdrüssig ist, wählt einfach AfD – und keine Frau Wagenknecht.

Und noch eine Partei
Ist es in Sachen Wagenknecht-Partei schon spannend genug, soll es auch eine Parteineugründung von rechts geben. Das hat der Finanzprofi und Autor Dr. Markus Krall kürzlich vorab bekannt gegeben. Aber er wird nicht der führende Kopf sein, wie er behauptet. Er wird mitmachen, durchaus kandidieren. Die neue Partei mit „interessanten Köpfen“ wolle sich zwischen der CDU und der AfD verorten und sich gezielt um die Aktivierung von Nichtwählern kümmern. Wenn sich die neue Partei aus diesem Reservoir bedienen könnte, darüber hinaus weitere konservative und liberale Wähler von CDU und FDP abwirbt, kann sie Erfolg haben. Auf X, vormals Twitter, wird bereits fleißig spekuliert, ob sie später sogar als Mehrheitsbeschaffer für die AfD fungieren könnte. Das Planspiel mag theoretisch zwar durchaus interessant aussehen, vieles ist denkbar, aber die Geschichte erfolgreicher Parteien spricht indes gegen einen Erfolg. Selbst wenn „interessante“ Namen dabei sind, sind diese kein Garant dafür, gewählt zu werden. Die AfD-Abspaltungen der ehemaligen AfD-Vorsitzenden Lucke und Petry, zudem der Misserfolg des „Bündnisses für Deutschland“ von ehemaligen AfDlern und der Bremer Timke-Gruppe sind Beleg dafür, dass stets das Original gewählt wird. Und wie kommt man auf die Idee, einen großen Brocken der Nichtwähler aktivieren zu können? Nein, das Projekt hat keinerlei Chancen. Wer ernsthaft einen „Rollback von dann 20 Jahren Ampel-Murks & Merkel“ durchführen möchte, wer „das Antibiotikum gegen die dumme, woke, gegenderte, klimahysterische, wohlstandsfeindliche, Bürger und Leistungsträger hassende Kopfkrankheit“ sein möchte, wie Krall die neue Partei beschreibt, hat mit der AfD schon eine starke und vor allem bewährte Stimme und somit eine Volkspartei, die das thematisch abdeckt. Man benötigt keine erneute Aufspaltung des wertkonservativen Lagers. Ein solche Aufspaltung ist nur im Interesse der Herrschenden. Und wenn auch diese neue Partei medial überaus stark gepusht wird, wird man wissen, dass ihre Existenz nur der AfD schaden soll. Oder etwa nicht?

Beitragsbild / Symbolbild: New Africa / Shutterstock.com

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