Von Klaus Schäfer
Von der Staatsanwaltschaft des Amtsgerichts Freiburg, vertreten durch Staatsanwältin Daniel, wurde dem Angeklagten, T., vorgeworfen, als nicht Beteiligter einer Demonstration von „Freisein Freiburg“ den Hitlergruß gezeigt sowie „Heil Putin“ gerufen zu haben.
Die Verhandlung
Wie gewohnt stellte die Richterin Dr. Herbert zu Beginn der Verhandlung Fragen zur Person des Angeklagten. Die Öffentlichkeit erfuhr, dass dieser, Mitte Vierzig, aus dem nahen Schwarzwald stammend, eine Ausbildung zum Koch absolviert und in diesem Beruf gearbeitet hat. Der deutsche Staatsbürger, Vater von zwei Kindern, war der Polizei noch nie bekannt geworden. Im Bundeszentralregister sind keine Eintragungen vermerkt. Nach einem Verkehrsunfall absolvierte er eine Umschulung zum Fachinformatiker. In diesem Beruf ist er seitdem beschäftigt. Ungewöhnlich war, dass er nicht von einem Rechtsanwalt vertreten wurde. Vom Gericht hierzu befragt, antwortete er, dass er für eine Rechtsvertretung das Geld weder aufbringen könne noch wolle und dass er nicht einsehe, für eine Tat, die er nicht begangen habe, auch noch Rechtsanwaltskosten übernehmen zu müssen. Danach nahm der Angeklagte Stellung zur Sache: Im März dieses Jahr beobachtete er, wie schon mehrfach geschehen, eine Demonstration von „Freisein Freiburg“ für Frieden in der Ukraine. Dabei stand er auf der Höhe des Colombi-Schlösschens gemeinsam mit weiteren Beobachtern, einige von ihnen in geringem Abstand hinter ihm.
Frieden mit Putin?
Wie er selbst bestätigte, war er wegen der ihm einseitig erscheinenden Position der meisten Demonstrationsteilnehmer aufgebracht. Er beobachtete, dass im Demonstrationszug zwar russische, jedoch keine ukrainischen Fahnen mitgeführt wurden. Die Öffentlichkeit erfuhr, dass er Mitglied im Vorstand der deutsch-ukrainischen Gesellschaft Freiburg sein soll. Wie er selbst sagte, schrie er seine Wut in die Menge hinaus, etwa mit den Worten „Ihr wollt doch Frieden mit Putin“. Vor Gericht demonstrierte er, wie er dabei mit der rechten Hand eine Bewegung ausgeführt hatte: Er habe den ganzen Arm leicht nach vorne und dabei den Unterarm schnell in Richtung Osten, also nach Freiburg in Richtung der Demonstranten und symbolisch nach Osten in Richtung Putin geschleudert, jedoch nicht ausgestreckt. Er bestätigte mehrfach, nicht „Heil Putin“ gerufen zu haben. Er habe sich nie mit der nationalsozialistischen Ideologie beschäftigt und soweit er sie kenne, sei sie ihm fremd beziehungsweise lehne er diese ab.
Widersprüchliche Zeugenaussagen
In den Zeugenstand wurde zunächst ein Polizeihauptkommissar mittleren Alters gerufen. Dieser hatte als Ordnungshüter die Demonstration begleitet. Bei Blicken nach oben auf den Hügel des Colombi-Schlösschens habe er den Angeklagten gesehen, wie dieser eindeutig wenigstens einmal den sogenannten Hitlergruß gezeigt und „Heil Putin“ geschrien habe. Diesen Ausspruch habe er trotz der hohen Geräuschkulisse der Demonstranten verstehen können. Als zweiter Zeuge wurde ein Mann Anfang 60 in den Zeugenstand gerufen. Nach eigener Aussage hatte dieser etwa ein bis zwei Meter neben dem Angeklagten gestanden. Er bestätigte, dass wenige Meter hinter ihnen unter anderen auch Mitglieder von „Die Partei“ gestanden hatten. Der Zeuge hatte gehört, wie der Angeklagte „geht doch nach Moskau, geht doch zu Putin“ gesagt und dabei eine Zeigebewegung in Richtung Moskau gemacht habe. Er konnte sich nicht daran erinnern, „Heil Putin“ vom Angeklagten gehört zu haben. Ferner meinte er, dass man den Hitlergruß doch nicht nur für einen kurzen Moment, sondern für einen etwas längeren Zeitraum gesehen habe. Die Richterin verwies auf eine eidesstattliche Aussage einer Dame, die hinter T. gestanden sei und schriftlich bestätigt hatte, dass sie die T. gegenüber gemachten Vorwürfe nicht bestätigen könne. Anderenfalls wäre sie eingeschritten, so die Dame.
Die Plädoyers
Die Plädoyers fielen sehr kurz aus. Die Staatsanwaltschaft wiederholte ihre Vorwürfe. Der Angeklagte meinte, doch schon alles gesagt zu haben. Die Richterin brachte die Möglichkeit zur Sprache, das Verfahren einzustellen und wandte sich hierzu zunächst an die Staatsanwältin. Diese konnte sich eine Einstellung des Verfahrens vorstellen. Der Angeklagte war einverstanden, dass das Verfahren gegen eine Zahlung von 300 Euro eingestellt würde.
Das Urteil
Dies wurde dann entsprechend verkündet.
Ein paar Gedanken zum Urteil
Außer Frage steht, dass das Zeigen des Hitlergrußes in der Bundesrepublik Deutschland ein Straftatbestand ist. Dies gilt auch für den ausgesprochenen Hitlergruß. Die Öffentlichkeit hatte sich noch ein wenig mit dem Angeklagten T. unterhalten. Dabei kam sie zu der Überzeugung, dass es T. fernliege, den besagten Gruß auszusprechen oder zu zeigen. Als Vorstandsmitglied der deutsch-ukrainischen Gesellschaft Freiburg hätte ihn dies sicherlich seine Mitgliedschaft gekostet. Im Gespräch mit ihm ergab sich, dass er eindeutig aufseiten der Ukraine steht und für das Agieren Russlands kein Verständnis aufbringt. Auch die Tatsache, dass hinter ihm Mitglieder von „Die Partei“ gestanden und nichts gegen ihn unternommen hatten, spricht dafür, dass der Tatvorwurf gegen T. unzutreffend war. Interessant auch die Bemerkung von T., dass ihm nicht bekannt sei, dass der Ausruf „Heil Putin“ ein Straftatbestand sei. Auch der Öffentlichkeit war hiervon nichts bekannt. Wird hier ein Straftatbestand erweitert? Dann sollte dies durch die Staatsorgane schnellstmöglich bekannt gegeben werden! Geht von einem Regime, dass vor knapp 80 Jahren sein Ende fand, immer noch eine derartige Gefahr aus, dass ein Einzelner, der für einen kurzen Moment, eine Demonstration beobachtend, den verbotenen Gruß mit Wort und per Handzeichen gezeigt haben soll, im Zweifelsfall erst einmal angezeigt und schließlich angeklagt wird? Stellt sich hier nicht die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gegenüber reellen Gefährdungen des öffentlichen Raums im täglichen Leben von heute?
Beitragsbild / Symbolbild: corgarashu / Shutterstock.com, oben: Salivanchuk-Semen / Shutterstock.com
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