Ein Bericht von Pater Peter Suwanington, dem Sekretär des hl. Simon Stock

Am 17. August [wohl des Jahres 1251] begleitete ich den seligen Simon, als er sich nach Winchester begab, um vom Bischof dieser Stadt, der unserem noch jungen Karmelorden wohlgesinnt war, Briefe zur Gutheißung unseres Ordens bei seiner Heiligkeit Papst Innozenz IV. zu erbitten. Als wir uns nun der Stadt näherten, kam uns ein Reiter in schnellem Galopp entgegen gesprengt. Es war Dom Peter von Lhynton, ein höherer Geistlicher, der Dekan der Kirche Sancta Helena von Winchester. Er kam, um unseren seligen Vater Simon anzuflehen, er möchte doch seinem Bruder zu Hilfe eilen, der im Sterben lag und völlig verzweifelt war.

Der sterbende Walter

Der Sterbende – sein Name lautete Walter – war ein Mann ohne jede Scham und Skrupel, der sich allen Arten von Lastern ausgeliefert hatte. Er verachtete nicht nur die Sakramente der hl. Kirche, von denen er sich während seines schimpflichen Lebens stets ferngehalten hatte, sondern praktizierte zudem Magie, und auf diese Weise war der alte Kriegsveteran all seinen Nachbarn zur Geißel geworden. Als Walter wenige Tage zuvor in einem Zweikampf mit einem Edelmann tödliche Verwundungen erlitten hatte, begann er zu begreifen, dass für ihn der ernste Augenblick nahe gerückt war, in dem er vor dem Richterstuhle Gottes erscheinen musste. Da nun der Teufel ihm die Menge seiner Verbrechen vor Augen stellte, wollte Walter weder von Gott noch von den Sakramenten sprechen hören. So zur Verzweiflung getrieben, lästerte er Gott und rief so laut als er es in seiner Schwachheit vermochte: „Ich bin verdammt! Teufel, räche an mir meine Mordtaten.“

Pater Simon Stock legt das Skapulier auf

Als wir an seinem Hause ankamen, fanden wir einen Mann vor, der vor Wut raste, mit den Zähnen knirschte, die Augen verstört verdrehte, ja man hätte meinen können, einen tollen Hund vor sich zu haben. Da Walter, wie es schien, unmittelbar vor dem Sterben war und bereits den Vernunftgebrauch verloren hatte, bezeichnete ihn mein seliger Vater Simon mit dem Zeichen des Kreuzes und legte den heiligen Habit [das Skapulier der Muttergottes vom Berge Karmel] auf die Schultern des Kranken. Dann erhob er die Augen zum Himmel, um von Gott für diese arme Sünderseele einen zeitlichen Aufschub des Todes zu erbitten, auf dass das kostbare Blut Jesu für dieses Seele nicht umsonst vergossen sei, und er keine Beute des Teufels werden würde.

Der Sterbende erhält das Bewusstsein zurück und bereut

Doch, siehe da, plötzlich kam der Sterbende, der bereits im Begriffe war, in die Ewigkeit zu scheiden, wieder zu Kräften und erhielt das Bewusstsein zurück. Er begann zu sprechen, schwor dem Teufel ab und bezeichnete sich mit dem Zeichen des Heiles. Unter Tränen und Seufzern rief er aus: „O ich Elender! Wie sehr fürchte ich die ewige Verdammung! Meine Sünden sind so zahlreich wie die Sandkörner am Ufer des Meeres. – Habe Erbarmen mit mir, o Herr! Deine Barmherzigkeit übersteigt doch Deine Gerechtigkeit!“ Dann wandte er sich an meinen seligen Vater Simon und sprach: „Hochwürdiger Vater, helfen sie mir, ich möchte beichten.“

Eine besondere Gebetserhörung

Während seiner Beichte zog ich mich in eine andere Ecke des Hauses zurück. Dort begann der Herr Dekan Peter mir zu erzählen, dass er angesichts der Unbußfertigkeit seines Bruders allein im Zimmer gebetet hatte und dabei plötzlich eine Stimme vernahm, die sagte: „Steh auf, Peter, und eile, meinen vielgeliebten Diener Simon aufzusuchen; dieser ist gerade des Weges; führe ihn hierher.“ Dekan Peter blickte nach allen Seiten, um zu sehen, woher die Stimme kommen könnte, da hörte er diese noch ein zweites und eine drittes Mal. Aus diesem Grunde, überzeugt, dass dieser Wink vom Himmel kam, bestieg er in aller Hast sein Pferd, um den ehrwürdigen Vater Simon auf seinem Wege aufzuhalten, und er dankte Gott, dass er Simon alsbald angetroffen hatte.

Wiedergutmachung im Testament

Der sterbende Walter jedoch schwor nach seiner Beichte öffentlich dem Teufel ab und widerrief die Versprechen, die er ihm gemacht hatte. Er empfing die Letzte Ölung und das Viaticum und erwies alle Anzeichen von echter tiefer Reue. Er verfasste ein Testament, in dem er verfügte, dass er alle Güter, die er durch Raub und Gewalt an sich gerissen hatte, wieder zurückerstatten wolle und hieß seinen geistlichen Bruder unter Eid versprechen, seine Verfügungen auszuführen. Er machte, mit einem Worte, alles Unrecht wieder gut, womit er sich gegenüber seinen Nächsten schuldig gemacht hatte. Am Ende schließlich, gegen acht Uhr, gab er in Frieden seine Seele Gott zurück.

“Um mich ist alles gut bestellt”

Da aber sein geistlicher Bruder an der Rettung seiner Seele zweifelte, erschien er diesem und versicherte ihm: „Um mich ist alles gut bestellt. Dank der mächtigen Königen der Engel und dem heiligen Habit des Gottesmannes [dem Skapulier des hl. Simon Stock] konnte ich den Fallstricken des Teufels entrinnen.“

Der Karmeliterorden verbreitet sich nun sehr stark

Die Kunde von diesem wunderbaren Ereignis verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt. Dekan Peter von Lhynton berichtete schriftlich dem ehrwürdigen Bischof von Winchester alles, was vorgefallen war und bat ihn um eine kirchliche Untersuchung. Der Bischof, der von dem außergewöhnlichen Vorfall tief beeindruckt war, ordnete an, dass der selige Simon über die Kraft des Habits (des Skapulieres) befragt werde. Dieser erschien vor dem bischöflichen Hofe und antwortete auf alle Fragen. Der Bischof befahl, dass seine Aussagen niedergeschrieben und urkundlich festgehalten werden sollten. Der Hw. Herr Dekan Peter von Lhynton jedoch wollte zum Dank für den großen Gnadenerweis, den ihm die allerseligste Jungfrau Maria an seinem sterbenden Bruder Walter gewährt hatte, uns Karmeliterbrüder in Winchester ansiedeln. Man sprach viel über dieses wunderbare Ereignis in England und außerhalb des Landes. Auch zahlreiche andere Städte boten uns daraufhin an, eine Klostergründung innerhalb ihrer Stadtmauern vorzunehmen, und viele hochstehende Persönlichkeiten baten darum, in unseren heiligen Orden aufgenommen zu werden, um Anteil an dessen Gnaden zu erhalten und, bekleidet mit dem heiligem Habit des Ordens [dem Skapulier der Muttergottes vom Berge Karmel] zu sterben.

 

Quelle: „Les Merveilles du scapulaire“, Kleinschrift mit der Druckerlaubnis von Msgr. Léon, Bischof von Amiens, die vertrieben wird von den Karmelitinnen vom Karmelkloster von Quiévrain, Belgien, S. 1-3.

 

Wunder als Erweise der Echtheit von Sakramentalien

Ähnlich wie zu Beginn der Ausbreitung der wundertätigen Medaille stand auch am Anfang der Geschichte des braunen Skapuliers vom Berge Karmel ein großes, Aufsehen erregendes Bekehrungswunder. Durch die erste Auflegung der wunderbaren Medaille wurde im Jahre 1830 ein sterbender Bischof, der während der Wirren der Französischen Revolution den Glauben verloren, sein Priesteramt niedergelegt hatte und schließlich auf dem Sterbebette jeglichen priesterlichen Beistand ausgeschlagen hatte, plötzlich wunderbar bekehrt. Aufgrund dieses Ereignisses wurde die damals eben erst von der Gottesmutter dargebotene wundertätige Medaille von den kirchlichen Autoritäten als vom Himmel kommend anerkannt und gelangte zu größerer Verbreitung.

Auch das braune Skapulier vom Berge Karmel, das die Gottesmutter Maria dem hl. Simon Stock (+1265), einem der ersten Generalprioren des Karmeliterordens im Jahre 1251 gereicht hatte, erlangte durch das hier beschriebene Wunder weite Verbreitung in der Christenheit.

 

Aus einem Predigtvortrag eines FSSPX-Paters

 

Beitragsbild: pixabay 455992 Reiter

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