Von Harald Noth

Empörung in Pullach bei München: Dort gibt es bislang noch ein nach Otfried Preußler benanntes Gymnasium. Die Kinderbücher dieses Autors haben Millionen inzwischen gealterter Gutmenschen vorgelesen bekommen oder gelesen. Doch 2015 entdeckte der Literaturhistoriker Peter Becher den Jugendroman „Erntelager Geyer“, den Preußler 1944 geschrieben hatte. Jetzt halten die Saubermänner die Zeit für gekommen, zuzuschlagen. Sie monieren: Dieses „Nazi-Buch“ (Badische Zeitung, BZ) verschwieg der erfolgreiche Schriftsteller bis zu seinem Tod selbst seiner Enkeltochter und die ist sauer darüber. Über das Büchlein gibt es geteilte Meinungen: Wie Patrick Guyton von der Badischen Zeitung denkt, zeigt er in seiner polemischen Entgleisung gegen eine Schweizer Zeitung: „Wie ein tobendes Rumpelstilzchen geriert sich die rechtskonservative Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Ein ‚Säuberungsdrang‘ wird da angeprangert, die Schule wolle ‚Fleißsternchen in Sachen Zeitgeistkonformität einheimsen‘.“ Für den Schreiber der BZ haben die Umbenenner offenbar edle Motive. Der Artikel ist davon abgesehen jedoch einigermaßen informativ.

Hermann Burte 1913.

Auch an anderen Orten Hexenjagden
Dergleichen Hexenjagd gab es auch schon im Badischen, im Markgräflerland. Dort war der Dichter Hermann Burte ins Fadenkreuz einer linken politisch-medialen Seilschaft gelangt, zu der sich später auch Grüne gesellten. Um zu verstehen, wer Burte für die Markgräfler war, muss man mit Johann Peter Hebel (1760–1826) beginnen. Er wurde in Deutschland und in der Schweiz als der Nestor der alemannischen Mundartdichtung anerkannt und geliebt. Hermann Burte (1879–1960) gelang es, die alemannische Dichtung aus der ländlichen Idylle der Zeit Hebels herauszuholen und auf das Industriezeitalter anzupassen. Er wurde dafür auf eine Stufe mit Hebel gestellt, erhielt 1924 die Ehrendoktorwürde der Freiburger Universität. Die meisten seiner alemannischen Gedichte sind um 1913 geschrieben und 1923 im Band „Madlee“ gesammelt worden. Die Markgräfler liebten Burte seit damals und fanden sich selbst in seinen Mundart-Gedichten wieder. Sie wurden bis in die 1980er Jahre in Schulen gelehrt und gelernt und noch länger bei öffentlichen Anlässen vorgetragen. Doch in den Nachkriegsjahrzehnten gab es – vor allem in den Reihen der SPD und später auch der Grünen – ideologische Eiferer, die es besser wussten: Burtes hochdeutscher Roman „Wiltfeber“ von 1912 war ein Brocken, der den Linken schwer auf dem Magen lag. In diesem genialen Werk zeichnet der Autor ein desaströses Bild des Deutschlands der Vorkriegszeit und zwingt auch den heutigen Leser zum Erstaunen; vieles an Fäulnis, das uns heute erstickt, gab es (vielleicht nicht in derselben Intensität) schon vor dem ersten Weltkrieg. Zunächst als Lörracher Vertreter den DNVP (Deutschnationale Volkspartei) heftiger Gegner von Hitler, trat er 1936 doch der NSDAP bei und unterstützte schließlich als Redner Deutschland in der Notlage von Volk und Vaterland im Krieg – so sah er es. Der Dichter wollte gedruckt und gelesen werden, wollte Dichterlesungen machen und wollte und musste davon leben. So kam er auch nicht um Lobeshymnen auf Hitler herum, die auf den Schluss seiner Reden meist über Kunst und Literatur aufgesetzt waren. Inhaltlich lag er neben der Parteilinie; der DNVPler steckte immer noch in ihm.

Die üblichen Kampagnen
In den Jahrzehnten nach der Niederlage Deutschlands gab es mehrere große Medienkampagnen gegen Hermann Burte. Man wollte mit den Anwürfen gegen ihn auch die konservative Einstellung zahlreicher Markgräfler und anderer Anhänger von Burte treffen. Die Stöße richteten sich gerade auch gegen die CDU, in der die meisten Mitglieder realistischere Vorstellungen von den Zwängen im Krieg und Verständnis dafür hatten als die linken Feinde Burtes. Der Gipfelpunkt der Kampagnen war 1978 mit einer Sendung des Südwestfunk (SWF) erreicht, die in ihrer Machart und Durchschlagskraft an die Deportationslegende des Correktiv erinnert. Jetzt versuchte man (= die SPD) ohne Erfolg den Namen der Hermann-Burte-Schule in dessen Geburts- und Heimatsort Maulburg zu tilgen. Die schon erfolgte Benennung der Schule in Efringen-Kirchen nach Burte musste auf Geheiß des Oberschulamts Freiburg aber gelöscht werden. In der öffentlichen Polemik (es gab Pamphlete und viele Zeitungsartikel und Leserbriefe) bezog man sich auf einen Satz des Oberschulamts, der immer wieder neu hervorgebracht wurde: „Weil nicht beiläufige, sondern symptomatische Teile im Werk Hermann Burtes in diametralem Gegensatz zum Erziehungsauftrag der Schule stehen, (…) muss es die Schulverwaltung ablehnen, dass eine Schule nach Hermann Burte benannt wird.“ Dieser Satz soll aus einem „Gutachten“ eines Professor Bauer stammen. Die SWF-Polemik endet mit den Worten: „Im Lande Hebels darf es keine Burte-Schulen geben.“

Einschüchterung gelungen
Von diesem demagogischen, zwei Mal ausgestrahlten Rundfunkbeitrag ließen sich viele Burtefreunde bluffen, die ihm bisher trotz ständiger Angriffe die Treue gehalten hatten, und fielen um. Heute ist die Erinnerung an ihn unter der Jugend des Markgräflerlands fast ausgelöscht. Meine Recherche 2007 ergab, dass es das „Gutachten“ des Professor Bauer nirgends gibt, auch nicht im Oberschulamt.

Etwas anders lief es in Pullach
In Pullacht hat etwa Peter Bercher zum Jugendroman Preußlers publiziert und der Schule „dringend abgeraten“, den Namen zu ändern. Jedoch: „Lehrer, Elternbeirat und die Schülermitverwaltung haben sich jeweils getrennt mit übergroßer Mehrheit für das Ablegen des Namens ausgesprochen“ (Badische Zeitung). Der Süddeutschen Zeitung gelang es auch, eine Enkelin Preußlers zu finden und von ihr in einem Interview das Statement zu erhalten: „Die Forderung nach der Rückbenennung des Gymnasiums in Pullach löst bei mir nur eins aus: größtes Verständnis.“

Auch Burte noch ein Ziel
Bis heute geht auch der Säuberungswahn gegen Burte weiter; etwa die SPD in Efringen-Kirchen versucht bis dato den Namen der Hermann-Burte-Straße mit immer neuen Anträgen im Gemeinderat austilgen zu lassen. 2020 gelang es ihr, die Aberkennung des Namens „Hermann-Burte-Halle“ für die Vielzweckhalle durch den Gemeinderat zu peitschen. Das Dorf war nach dem Krieg lange Zeit das Refugium Burtes, nachdem er 1946 aus Lörrach als politisch Verstrickter und bei den Franzosen Denunzierter ausgewiesen worden war. Vielleicht erledigt sich dieses Problem in Efringen-Kirchen, wenn die SPD im Bund unter 10 Prozent gerät und auch in Südbaden implodiert. Die Straße selben Namens in Müllheim wurde 2007 abgeschafft, jetzt auch schon mit Zustimmung aus der CDU-Stadtratsfraktion. In Freiburg, das zu einer Sumpfblume des Gutmenschentums verkommen ist, ist eine richtige Orgie von Straßenumbenennungen noch immer im Gange.

Otfried Preußler (1923-2018).

Geschichte wird hart bewältigt – ohne Kontextualisierung
Preußler hat seiner einen Enkelin erklärt, dass er „als Jugendlicher ein begeisterter Nazi war und dass ihn der Krieg dann auf brutale Weise eines Besseren belehrte.“ Ja, der Opa war beim Machtantritt Hitlers neuneinhalb Jahre alt und lernte nichts anderes kennen. Und jetzt hätte sein Enkelkind „größten Verständnis“, wenn die Schule umbenannt werden würde. Wer den Linksstaat Deutschland kennt, weiß, dass das das posthume Ende des Mannes als genehmer Kinderbuchautor bedeutet. Während der Opa als Bub und junger Kerl Böses tat und es lebenslang in sich verbarg, scheint die 44-jährige Enkelin in ihrer Gutheit den linksgrünen Staat nicht zu kennen, der mit großen Schritten auf eine neue Diktatur zugeht. Ein anderer Kinderbuchautor fährt die deutsche Wirtschaft immer mehr an die Wand und liefert die Bürger dem Elend aus. Er gehört zum engsten Kreis einer Partei, die mit allen anderen Altparteien zusammen im Begriff ist, Deutschland wieder in einen Krieg gegen Russland zu führen. Dieser Kinderbuchautor ist auf dem Gipfelpunkt der Ehre angekommen. Zumindest in den Augen seiner eingeschworenen, täglich weniger werdenden Anhänger. Die immer lauter „Nazi, Nazi“ schreien, je mehr jemand der Ampel auf die übergriffigen Finger schaut.

Beitragsbild / Symbolbild: Inside Creative House / Shutterstock.com; Bild ganz oben: Hermann Burte. Urheber unbekannt; Mitte: Ein Gedicht von Hermann Burte; Bild unten links: Markus Schlaf, honorarfrei, Quellle.

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