Von Brutus Crombie

Die verbündeten AfD-Fraktionsvorsitzenden von NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz haben es in den vergangenen Wochen nicht leicht gehabt: In Rheinland-Pfalz ging der Landes- und Fraktionsvorsitzende mit seinen Personalvorschlägen für den nächsten Landtag regelrecht baden. Zwar geht die rheinland-pfälzische AfD mit Noch-Partei- und Fraktionschef Dr. Jan Bollinger als Spitzenkandidat in die Landtagswahl, die im März 2026 ansteht. Aber auf der im Juni stattgefundenen Aufstellungsversammlung erhielt er lediglich rund 70 Prozent der Stimmen, was letztlich einer schallenden Ohrfeige gleichkommt. Und auf der in großer Einigkeit beschlossenen Aufstellungsliste befindet sich auf den ersten 20 Plätzen neben Bollinger lediglich ein weiterer enger Gefolgsmann. Damit dürfte seine Zeit als Fraktionsvorsitzender abgelaufen sein – und damit auch sein Landesvorsitz. Dagegen wirkt der Landesverband Hessen unter Robert Lambrou recht ruhig, zu ruhig sogar: Vom „Migrantenverein“ in der AfD, so nannte der Cicero die Gruppe mit Migrationshintergrund um den Landesvorsitzenden in Hessen einst, hört man noch kaum etwas. Innerparteilich wird das Projekt eher belächelt. Lambrou indes muss sich mit einem neuen Freund des Drei-Achsenbündnisses arrangieren, denn Dr. Maximillian Krah, den er vor der vergangenen Europawahl noch lauthals kritisierte, ist nun im Vincentz-Lager gelandet. Und Krah scheint Migranten ebenfalls als neue Wählerklientel erschließen zu wollen, was grundsätzlich völlig sinnvoll erscheint – wenn damit nicht die Aufgabe von Grundsätzen einhergehen muss. Ob es bald Verbrüderungsfotos von ihm mit Lambrou geben wird?

Krah im Vincentz-Lager
Denn Verbrüderungsfotos von Krah und Dr. Martin Vincentz, dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, gibt es mittlerweile mehrere. Noch vor rund einem Jahr hätte man das nicht für möglich gehalten, denn Krah galt als Hoffnungsträger einer konsequenten Parteilinie – eben einer völlig anderen Linie als Vincentz. Aber so ist das mit entsprechenden Linien bei Krah, Graustufen scheinen ihm nicht geheuer. Getragen vom Vorfeld und rechten Parteiströmungen waren seine medialen Auftritte einst vorbildlich, weithin anerkannt und konservativ-kernig. Davon ist seit längerer Zeit nichts übrig. Für zahlreiche Beobachter ist es nachvollziehbar, dass er nun innerhalb der AfD beim größten und einflussreichsten Landesverband andockt. Dieser bietet Schutz, ausreichenden Schutz vor so manchem enttäuschten Rechtsausleger in der Partei, aber auch Schutz vor bundesweit einflussreichen Parteistrategen, die mit Krah nicht können, unabhängig davon, was er im Moment vertritt.

Vincentz unfähig, den Landesverband zu befrieden?
Dabei könnte sich Krah verrechnet haben. Denn in Nordrhein-Westfalen ist Dr. Martin Vincentz zwar nach wie vor noch Landes- und Fraktionsvorsitzender, aber er ist merklich geschwächt und kein guter Partner für Allianzen. Erst schwächte ihn der bislang noch gärende Skandal um seinen Intimus, den Landtagsabgeordneten Klaus Esser (wir berichteten), dann lähmt den gesamten Landesverband der Krieg von Vincentz gegen den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich. Mit fadenscheinigen Begründungen wurde dieser kürzlich zwar von einem Landesschiedsgericht ausgeschlossen, aber unter rechtlich fragwürdiger Art und Weise, so dass spätestens vor der nächsten innerparteilichen Instanz vor dem Bundesschiedsgericht der Ausschluss aufgehoben oder die Entscheidung zurückverwiesen werden dürfte. Berliner Insider der Partei sprechen indes davon, dass das Parteiausschlußverfahren „tot“ sei. Das wiederum dürfte vor allem dem EU-Abgeordneten Hans Neuhoff (wir berichteten mehrfach über ihn) angelastet werden, der mehrere Anklagen gegen Helferich verfasste. Neuhoff hatte sich seinerzeit Schnellroda und den Resten des Flügels angedient, die ihn mittlerweile haben fallen lassen. So dürfte es für ihn keine weiteren Ämter nach der nächsten EU-Wahl geben, wie man hört. Selbst sein eigener Kreisverband setzt sich von ihm ab. Es ist schon interessant zu sehen, dass Martin Vincentz regelmäßig auf die falschen Leute setzt. Eine weitere Personalie dieser Kategorie ist der Fraktions-Pressesprecher Kris Schnapperz, der jüngst ebenfalls in seinem Heimat-Kreisververband ausgebootet wurde, selbst die Mainstreammedien berichteten genüßlich.

Wuchtig: Sven Tritschler rechnet mit Schnapperz ab
Eben dieser Kris Schnappertz ist zentrale Person der jüngst bekanntgewordenen Anklage gegen die Machenschaften rund um Dr. Martin Vincentz und seine Gefolgsleute. In einem siebenseitigen Schreiben, datiert vom 20. Juli, rechnet Sven Tritschler gnadenlos mit Schnapperz ab. Sven Tritschler ist weder Gefolgsmann von Dr. Vincentz noch von Matthias Helferich, er gehört dem doch einigermaßen großen Lager der Unabhängigen in Nordrhein-Westfalen an. Der ehemalige Co-Vorsitzende der Jungen Alternative ist stellvertretender Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen und nicht dafür bekannt, im Konflikt Helferich/Vincentz mitzumischen. Das könnte sich nun ändern und er dürfte ab sofort zu den Kritikern des Landesvorsitzenden Vincentz gehören.

Was ist geschehen?
Im Zentrum des Skandals stehen Kris Schnappertz, die Sekretärin von Vincentz sowie ein namentlich nicht genanntes Mitglied aus Köln, dessen Identität in Parteikreisen allgemein als bekannt gilt. Den drei wird vorgeworfen, Tim Schramm – damals studentische Hilfskraft bei Tritschler – umworben und ihm lukrative Positionen in Aussicht gestellt zu haben, sofern er bereit sei, vertrauliche und potenziell belastende Informationen über Tritschler zu beschaffen. Schramm lehnte dieses Ansinnen jedoch ab. Schramm geriet am Ende ins Visier der Vincentz-Truppe und wurde dann sogar Opfer eines Parteiausschlußverfahrens, als bekannt wurde, dass er auf Seiten der Ukraine gegen Russland gekämpft hatte. Darüber hatte er dem Nachrichtenportal NIUS ein Interview gegeben, das Vincentz anfangs noch besonders lobte. Tritschler vermutet, dass man über die Personalie Schramm an ihn herankommen und Belastbares gegen ihn verwenden wollte. Konkret schreibt Tritschler:

„Herr Schramm wurde in seiner jugendlichen Naivität gegen mich aufgehetzt, ihm wurde jeglicher Kontakt mit mir ausgeredet, ihm wurden eine Reihe von Jobs mit – für einen 22jährigen Studenten – unverhältnismäßig hohem Gehalt bei verschiedenen Bundestagsabgeordneten und in unserer Fraktion in Aussicht gestellt. Zwischenzeitlich wurde sogar ein „leitungsloses Einkommen“ (gemeint war wohl Anstellung ohne Arbeitsleistung) bei einem MdB aus Nordrhein-Westfalen. […] Mit der Aussicht auf hochdotierte Jobs wurde Herr Schramm massiv unter Druck gesetzt, um kompromittierende Informationen gegen mich zu beschaffen. Er wurde aufgefordert, Kopien und Fotografien aus meinem Büro zu liefern, namentlich sollte er Personalunterlagen kopieren.“

Tritscher macht sich inzwischen selbst Vorwürfe, dass er zu lange weggeschaut hat:

„Ich habe zugesehen, wie im Interesse unseres Pressesprechers in seinem Kreisverband Personal zunächst angestellt und dann mit fadenscheinigen Begründungen entlassen, abgemahnt und bedroht wurde, wenn es im KV kein Wohlverhalten zeigte. Ich habe zugesehen, wie unser Pressesprecher durch den Landesverband läuft und über Kollegen herzieht. Ich habe zugesehen, wie unser Pressesprecher seine Position in der Fraktion missbrauchte, um den Wahlantritt in Düsseldorf zu sabotieren, weil er selbst von der Liste gewählt worden war.“

Das hört sich nach Einsicht an! Man muss sich zudem ernsthaft fragen, was in der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion für Zustände herrschen. Werden und wurden dort in anderen Fällen auch „leistungslose Einkommen“ vergeben? Gerüchteweise soll bezüglich der Personalie Klaus Esser ebenfalls über eine als „Versorgungsposten“ genannte Stelle diskutiert worden sein, sollte er sein Landtagsmandat verlieren. Den Steuerzahler und Wähler dürfte das nicht freuen, zumal hier auch strafrechtlich relevante Sachverhalte greifen könnten – und das ist Gift für das Saubermann-Image, das Vincentz gerne pflegt.

Was passiert nun in der Fraktion?
Erst einmal ist die Landtagsfraktion und somit Tritschler in Urlaub. Aber dem Schreiben nach erwartet Tritschler, dass Schnapperz nach dem Urlaub nicht mehr Fraktionspressesprecher ist. Konkret schreibt er: „Ich erwarte, dass ich die übrigen Beteiligten nach der Rückkehr aus dem Urlaub nicht mehr auf unserem Fraktionsflur antreffen muss.“ Hier muss der Fraktionsvorstand und letztlich Vincentz handeln. Wird dieser die Größe haben, entsprechende Kündigungen auszusprechen? Solange darf Schnapperz erst einmal nicht mehr für die gesamte Fraktion und auch nicht für Tritschler sprechen. Damit ist eine reibungslose Arbeit als Fraktionspressesprecher ohnehin nicht mehr möglich. In der Fraktion nimmt damit die Zahl an Kritikern von Schnapperz und auch Vincentz zu. Letzterer hat nun zwei Flächenbrände zu bekämpfen: in der Fraktion und in der Partei. Der skandalgebeutelte größte Landesverband der AfD steht augenscheinlich bis zum nächsten Landesparteitag auf wackligen Füßen. Das dürfte auch in der Bundesspitze nicht für Begeisterung sorgen. Und einer in Dortmund dürfte ob der Fehltritte des NRW-Landesvorsitzenden kaum mehr aus dem Lachen herauskommen. Aber das ist diesmal wirklich Nebensache…

Hinweis 1: Sie als Leser vermissen Stellungnahmen von Herrn Schnapperz oder Herrn Dr. Martin Vincentz? Sie finden es ungerecht, dass man die, gegen die Vorwürfe im Raum stehen, nicht zu Wort kommen lässt? Werter Leser, selbstverständlich haben wir vom Freiburger Standard die Pressestelle der Landtagsfraktion und damit Herrn Schnapperz angefragt und konkrete Fragen gestellt. Er antwortete nicht, während im WDR zu lesen war, dass er diesem zumindest mitteilte, dass er sich grundsätzlich nicht zur Angelegenheit äußern wolle.

Nachtrag: Das Tritschler-Schreiben, das uns seit Sonntag vorliegt, ist nun im Netz im Telegramkanal „Zur Lage“ veröffentlicht worden. Damit ist es öffentlich und darf und sollte auch in sozialen Medien diskutiert werden.

Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: nitpicker; Bild darunter: Felix Geringswald / beide Shutterstock.com

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