Von Dario Herzog

Die grün‑schwarze Landesregierung in Baden‑Württemberg plant einen typisch ideologischen Schritt: Künftig sollen an ausgewählten Grundschulen von der ersten bis zur vierten Klasse keine klassischen Ziffernoten mehr vergeben werden. Stattdessen sollen Lernfortschritte in individuellen Rückmeldungen, Gesprächen und bildhaften Einschätzungen dokumentiert werden. Was aus Sicht moderner Pädagogik sinnvoll klingen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als riskantes Experiment mit zahlreichen Schwachstellen – insbesondere weil bislang entscheidende Grundlagen fehlen: eine klare wissenschaftliche Begleitung, verbindliche Standards und ausreichende Unterstützung für Lehrkräfte. Aber das scheint zu viel gefragt, es geht den Machern um reine Ideologie – wie immer! Und die CDU macht einfach mit…

Motivation statt Vergleich?
Zentraler Gedanke der Reform ist es, den Druck durch Noten zu verringern und Kindern mehr Freude am Lernen zu vermitteln. Doch Noten erfüllen nicht nur eine „Belohnungsfunktion“, sondern auch eine wichtige Selektions- und Orientierungsfunktion: Sie helfen Eltern, Lehrkräften und Kindern selbst dabei, den eigenen Leistungsstand einzuschätzen und fördern eine gewisse Vergleichbarkeit – eine Grundlage, die im gegliederten Schulsystem unverzichtbar ist. Aber da war es schon, das Wort, das Linke mitunter scheuen: „Leistung“. Eine Leistungskontrolle ist offenbar nicht gewünscht. Kritiker, darunter der Philologenverband, warnen indes: Wird auf Noten verzichtet, sinkt nicht nur der Leistungsdruck, sondern auch die Transparenz über den tatsächlichen Leistungsstand. Leistungsbereitschaft droht verwässert zu werden, wenn Erfolg nicht mehr sichtbar und vergleichbar ist. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Kinder später in weiterführenden Schulen umso härter auf ein System treffen, in dem wieder streng benotet wird – ein Risiko, das bislang kaum berücksichtigt scheint.

Aus Fehlern nichts gelernt
Schon früher gab es in Baden‑Württemberg ähnliche Modellversuche – etwa ab 2013 –, die jedoch ohne umfassende wissenschaftliche Evaluation beendet wurden. Statt daraus zu lernen, bleibt auch diesmal vieles vage. Wie genau sollen Lernfortschritte denn stattdessen gemessen werden? Nach welchen Kriterien wird geprüft, ob die Kinder tatsächlich besser oder nachhaltiger lernen? Und wie soll ein fairer Übergang auf weiterführende Schulen sichergestellt werden?  Ohne verlässliche Daten droht das Projekt, mehr Ideologie als evidenzbasierte Reform zu sein.

Zusätzliche Belastung für Lehrkräfte
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die Lehrkräfte. Bereits jetzt arbeiten viele Grundschulen im Land an der Belastungsgrenze. Statt eines klaren Bewertungssystems mit Noten sollen sie künftig individuelle Lernentwicklungsberichte verfassen, Elterngespräche führen und kindgerechte Einschätzungen erarbeiten. Das kostet Zeit – Zeit, die vielerorts schon jetzt fehlt. Ohne zusätzlichen Personaleinsatz und Fortbildungen droht die Reform weniger eine Entlastung der Kinder zu werden als eine Mehrbelastung der Lehrkräfte, die ohnehin seit Jahren unter Personalmangel leiden.

Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Statt mutiger Vorreiter könnten Baden‑Württembergs Schulen so zum Schauplatz eines schlecht vorbereiteten Experiments werden – auf Kosten der Kinder, Eltern und Lehrkräfte, die am Ende mit den Folgen leben müssen. Wer Bildung wirklich verbessern will, darf sie nicht nur neu denken, sondern muss sie auch konsequent absichern. Genau das bleibt die grün‑schwarze Landesregierung bisher schuldig. Kein Wunder, dass die AfD im Landtag das Vorhaben scharf kritisiert. So sagte der bildungspolitische AfD-Fraktionssprecher Dr. Rainer Balzer in der Landtagsdebatte zur Neuauflage des Schulversuchs:

„Wir lehnen die beabsichtigte flächendeckende Einführung von Grundschulen ohne Noten kategorisch ab. Schon die Erstauflage 2013 bis 2017 wurde vorzeitig beendet – ohne eindeutigen Erfolg. Nun also ein neuer Anlauf mit alten Hoffnungen –die für uns naives Wunschdenken sind, das unsere Kinder schlechter vorbereitet ins Leben entlässt. Denn Leistung muss erkannt, bewertet und auch kritisiert werden dürfen – gerade auch in der Schule. Ohne Noten verkommt die Grundschule zu einem Schonraum, der die Kinder von den Realitäten des Lebens fernhält. Wenn die Schule all dies ausblendet, wie sollen Kinder dann lernen, mit Kritik und Niederlagen umzugehen?“

Schlechte Noten und kritisches Feedback mögen schmerzhaft sein, aber sie sind auch Lernchancen, weiß Balzer und ergänzt:

„Kindern diese Erfahrung vorzuenthalten, sie in Watte zu packen, ist pädagogisch fatal. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die Klarheit und Verlässlichkeit der Leistungsrückmeldung. Ziffernnoten gelten vielen als eindeutige und differenzierte Rückmeldung über den Leistungsstand. Verbalbeurteilungen dagegen, zumal wenn sie gemäß pädagogischer Leitlinien ausschließlich positiv formuliert sein sollen, drohen zur pädagogischen Lyrik zu verkommen, aus der niemand mehr schlau wird. Die Eltern stehen dann völlig im Nebel, weil sie die beschönigenden Formulierungen nicht richtig deuten könnten. Aber auch für Lehrkräfte bedeutet das Erstellen solcher Zeugnisse einen enormen Mehraufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.“

Die AfD-Fraktion betont das Ideal der Leistungsgerechtigkeit: Gerecht ist, wenn jeder entsprechend seiner Leistung bewertet und gefördert wird – „Fördern und Fordern“ gehört untrennbar zusammen. Das war früher eine Selbstverständlichkeit, in Zeiten woker Bildungspolitik sieht es aber anders aus. Das Vorhaben der grün-schwarzen Landesregierung berührt Grundfragen der Bildungsphilosophie und -gerechtigkeit. Es geht nicht nur um Noten oder keine Noten, sondern darum, welches Menschenbild und welches Gesellschaftsbild in unseren Schulen vermittelt werden soll. Denn Schule ist immer auch ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Mit anderen Worten: Das Vorhaben ist Teil des linken Kulturkampfes gegen Leistung und den Leistungsgedanken. Das hat die CDU aber bis heute nicht verstanden…

Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: AciiiDsgn; Bild darunter: Volodymyr TVERDOKHLIB / beide Shutterstock.com

Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/Freiburger74Standard

Treten Sie dem Freiburger Standard bei

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.