Von Dario Herzog

„Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“ war noch von welcher Partei ein Credo? Klar, von den Grünen. Noch kurz vor der vergangenen Bundestagswahl plakatierten die Grünen den Wahlspruch, der für das stand, was die Grünen eigentlich seit jeher vertraten. Halt! Unter dem grünen Außenminister Joscka Fischer hat sich Deutschland bereits schon einmal an einem völkerrechtswidrigen Krieg, damals gegen Serbien, im Kosovo beteiligt. Dass unsere Justiz politisch weisungsgebunden ist, sieht man daran, dass sich Joschka Fischer und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nie vor einem ordentlichen Gericht zu verantworten hatten. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute indes ist die Frage erlaubt, ob es für Deutschland sinnvoll ist, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bei uns Waffensysteme stationieren wollen.

Alle applaudieren?
Eigentlich ist es einfach: Wenn das gesamte politische Establishment etwas begrüßt, ist unbedingt das Kleingedruckte zu lesen. Das heißt, man sollte an dem zweifeln, was unsere Transatlantiker in allen Parteien begrüßen. Und so ist es auch hier. Besonders perfide ist es, wenn Begriffe einfach uminterpretiert werden. Aber das kennt man, aus Schulden werden Sondervermögen und die Stationierung von zusätzlichen Waffensystemen wird als Beitrag zur Verteidigung „geframt“. Kritik kommt erfreulicherweise von der AfD, in der es bekanntermaßen auch einen transatlantischen Flügel gibt. So erklärte der europapolitische AfD-Fraktionssprecher Emil Sänze (MdL) auf die Rechtfertigung der baden-württembergischen Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger (MdB) im Deutschlandfunk:

„Auf die Idee, dass die Stationierung amerikanischer Waffensysteme in Deutschland kein Beitrag zum Wettrüsten sei, sondern der Verteidigung diene, kann nur eine grüne Ideologin kommen, die den Kalten Krieg nie erlebt hat.“

Und Sänze kann genüßlich daran erinnern, was bislang bei den Grünen üblich war. Im Krefelder Appell, den die Grünen fünf Jahre vor Bruggers Geburt mitinitiierten, wurde die westdeutsche Bevölkerung nämlich aufgefordert, eine Sicherheitspolitik zu erzwingen, die Abrüstung für wichtiger hält als Abschreckung. Sänze hält den Oliv-Grünen den Spiegel vor:

„In nur einer Generation hat sich das ins Gegenteil verkehrt. Die Binsenweisheit, dass zur Kriegspartei wird, wer sich nicht aus dem Krieg heraushält, hat Victor Orban als amtierender EU-Ratspräsident erkannt – und tut das einzig Richtige: Verhandeln. ‚Frieden ist das höchste Gut‘, plakatierte Bruggers Partei noch vor zwei Jahren im Wahlkampf. Heute ist davon nichts mehr übrig.“

Und in der Tat, die weitere Stationierung von Waffensystemen durch die USA in Deutschland, in der Diskussion sind Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk, also Langstrecken-Raketen, die von deutschem Boden aus beispielsweise russisches Staatsgebiet erreichen könnten, ist sicherlich kein Beitrag der Deeskalation. Die USA dürften sich indes freuen, denn sollte es zu einer Verschärfung des ukrainisch-russischen Konfliktes kommen, dürfte Deutschland ein vorrangiges Ziel sein. Das ist deutschen (etablierten) Politikern jedoch völlig egal. Kein Wunder also, dass auch AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla meint:

„Die Stationierung macht Deutschland zur Zielscheibe. Bundeskanzler Olaf Scholz handelt nicht im deutschen Interesse. Er lässt zu, dass Deutschlands Verhältnis zu Russland dauerhaft beschädigt wird und wir in Muster des Ost-West-Konflikts zurückfallen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat beim NATO-Gipfel hingegen gezeigt, wie souveräne Friedenspolitik in Europa geht. Er möchte verhindern, dass sein Land in den Konflikt der USA mit Russland hineingezogen wird. Mit Partnern im Osten und im Westen sucht er den Dialog. Solche Brückenbauer für den Frieden wollen wir in Deutschland sein.“

Ob Chrupalla allerdings gehört wird, ist fraglich. Denn es gibt keine vergleichbare politische Debatte wie beispielsweise in den 1980er-Jahren, als es um die Stationierung von US-Pershingraketen auf deutschem Boden ging. Damals wurde die Republik regelrecht lahmgelegt, die Debatte bestimmte das öffentliche Leben, es kam zu riesengroßen Demonstrationen etc. Und nun? Nichts! Der einzige aus dem politischen Establishment, der zwar auch für die Stationierung ist, aber eine Debatte anmahnt, ist der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Ein Versehen? Keineswegs! Denn die Sachsen wählen Anfang September eine neue Landesregierung – und somit ist das nur die übliche Wahlkampfrhetorik und mehr als durchsichtig.

Rückt der Krieg näher?
Wenn man nun deutlicher ins Visier des russischen Präsidenten gerückt wird, kommt der Krieg sicherlich näher. NATO sei Dank. Für Bundesdeutsche ist er dennoch einfach nicht denkbar. So etwas gab es ja noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Ein solches Denken ist allerdings naiv. Aber Naivität passt zum Bundesdeutschen, er traut sich ja noch nicht einmal gegen den (Messer-)Krieg auf deutschen Straßen aufzubegehren. Aber auch das ist eine andere Geschichte…

Beitragsbild / Symbolbild: e-crow / Shutterstock.com; Bild oben: Wahlplakat der Grünen.

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