Von Dario Herzog

Und schon wieder soll es ein Treffen der Bundesregierung mit Vertretern des Bundesverfassungsgerichts gegeben haben. Bereits um ein Treffen am 8. November 2023 zwischen Mitgliedern der Bundesregierung, unter anderem Justizminister Buschmann, und einer Delegation des Bundesverfassungsgerichts hatte es Spekulationen und auch Kritik gegeben. Der Justizminister hielt damals einen Impulsvortrag. Was beim damaligen „Austausch“ so nebenbei besprochen wurde, ist indes nicht bekannt geworden. Nun war es wohl wieder soweit und seitens der ohnehin angeschlagenen Ampel-Koalition wollte man wohl möglicher Kritik vorbauen – und erklärte, worum es beim Treffen am 9. Januar gegangen sei: Das Bundesverfassungsgericht muss angeblich gestärkt werden, sicher gemacht werden für einen Angriff durch die AfD. Klar, kein Wunder, denn bislang war das Bundesverfassungsgericht ein Spielfeld der etablierten Parteien. Was würde nur passieren, wenn die AfD irgendwann einmal in Regierungsverantwortung käme?

Das Establishment hat Angst
„Bundesjustizminister Buschmann traf sich mit Gerichtspräsident Harbarth in Berlin – abseits des offiziellen Austauschs zwischen Karlsruhe und der Regierung. Thema war „Resilienz des Rechtsstaats“, meldete der Tagesspiegel. Aha, es ging also um „Resilienz des Rechtsstaats“? In der Tat! Das Justizministerium hat nämlich bereits einen Arbeitsentwurf für eine neue gesetzliche Grundlage des Bundesverfassungsggerichts vorbereitet. Denn das bisherige Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann mit einfacher Mehrheit geändert werden. Da scheint Panik zu herrschen, denn vielleicht hat irgendwann einmal eine blaue Regierung die Mehrheit und könnte das Gesetz mit 50 plus X Prozent einfach ändern. Und nach Auffassung der Ampel-Koalition, aber auch die Union soll mit ins Boot geholt werden, ist das Bundesverfassungsgericht ein Garant der freiheitlich-demokratischen Ordnung unserer Republik. Das sehen übrigens nicht alle Bürger so, und mitnichten nur Bürger rechts der Mitte. Es gibt zahlreiche Verfahren, bei der das Bundesverfassungsgericht kaum nachvollziehbare Entscheidungen getroffen hat und selbst ausgewiesene Verfassungsjuristen mit dem Kopf schütteln.

Was soll konkret geändert werden?
In seinem Gesetzesentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts durch eine Grundgesetzänderung soll die Struktur und die Auswahl der Verfassungsrichter im Grundgesetz festgeschrieben werden. Denn Wahl und Auswahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht war bisher faktisch ausschließlich in den Händen von Parteipolitikern, die in intransparenten Verfahren und an der Öffentlichkeit vorbei fast schon wie auf dem Basar entschieden, wer Richter wird, meist durch Parteibuch-Proporz. Das heißt, es wurden nicht die Fähigsten, sondern die mit dem richtigen Parteibuch ins Amt gebracht. Eine Reform hätte dieses Verfahren beenden können, beispielsweise hätte ein Convent aller deutscher Hochschulprofessoren geeignete Richter benennen können. Aber nein, die Parteien wollen den Zugriff auf die Besetzungsliste behalten, und das möglichst ohne AfD-Vertreter.

„Correctiv“-Bericht war Auslöser der Debatte
Und schon wieder muss das ominöse Treffen in Potsdam herhalten: „Dort war unter anderem darüber gesprochen worden, Karlsruhe zu schwächen, um im Fall einer Machtübernahme Ziele wie die Vertreibung von Menschen aus Deutschland leichter umsetzen zu können“, heißt es beispielsweise beim Deutschlandfunk. Ob das tatsächlich stimmt oder den Teilnehmern nun auch untergeschoben wurde, ist unbekannt. Aber angesichts der zahlreichen eigenen Korrekturen durch Correctiv und noch unzähliger offener Verfahren wegen Äußerungen, die nicht gefallen sein sollen, ist auch dies eher reine Spekulation. Wie dem auch sei, im Gesetz soll festgeschrieben werden, dass es nur zwei Senate mit je 8 Richtern geben soll. Das ist zwar heute schon Praxis, aber eine totalitäre Partei könnte einen dritten Senat mit ihm genehmen Richtern berufen. Es ist natürlich absurd zu meinen, die AfD würde nach einer „Machtübernahme“, die hier tatsächlich diskutiert wird, einfach das Bundesverfassungsgericht mit „seinen“ Richtern aufstocken. Aber genau das ist es ja, was die Altparteien derzeit selbst machen, sie bestücken das Bundesverfassungsgericht ausschließlich mit ihren Leuten.

Was sagt die betroffene AfD?
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner, meint:

„Tatsächlich ist die Entscheidung über die Richterstellen fest in der Hand der Altparteien, obwohl dies formell und gesetzlich anders geregelt ist. Durch das Festschreiben dieses faktischen Verfahrens nun auch noch im Grundgesetz würde dies noch zementiert, Verfassungsrang erhalten. Das ist nicht im Sinne eines starken Rechtsstaates mit ausgeprägter Gewaltenteilung. Die AfD-Fraktion steht für eine echte Unabhängigkeit von Justiz und Staatsanwaltschaften. Dieses Ziel hat die AfD-Bundestagsfraktion bereits in ihrem Gesetzentwurf 19/6022 herausgearbeitet.“

Durch ein transparentes Verfahren eines parteipolitisch unabhängigen Richterwahlausschusses, der aus gewählten Richtern des Bundesverfassungsgerichts, der obersten Gerichte des Bundes sowie gewählten Staatsanwälten der Generalbundesanwaltschaft besteht, würde die Gewaltenteilung zwischen der Legislative und der Judikative wieder hergestellt. Nicht nur die AfD will durch öffentliche Anhörungen die Richterwahl aus politischen Hinterzimmer-Kungelrunden an die Öffentlichkeit bringen, was zu begrüßen ist. Fazit: Nur eine grundlegende Reform von Wahlverfahren, Mitwirkung, Debatte und Transparenz stärkt die richterliche Unabhängigkeit, nicht ein Gesetz, das nur von den Altparteien zur Sicherung der eigenen Pfründe beschlossen wird. Denn die richterliche Unabhängigkeit ist der Grundpfeiler für die Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols. Und das würde der Politisierung der Justiz durch das Altparteienkartell endlich ein Ende bereiten. Zumindest in der Theorie…

Beitragsbild / Symbolbild: nitpicker; Bild oben: create-jobs-51 / beide Shutterstock.com

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