Die Grenzen sind bei diesem Bonmot, wie sich in jüngster Zeit herausstellt, fließend.

Machen wir es wie immer, wenn es kompliziert wird: gehen wir die Sache von der sprachlichen Ebene an.

Lieber:

es gibt Momente im Leben, in denen man sich zwischen zwei Dingen entscheiden muss. Blond oder brünett, schlank oder vollschlank, Pils oder Export, Weiß- oder Rotwein, Zigarette mit oder ohne Filter, Diesel oder Benziner, lecker-fettig oder langweilig-gesund, analog oder digital, lesen oder fernsehen… Mir fällt noch viel ein.

Alle diese Entscheidungen haben eins gemeinsam – entweder oder. Nun ist das Wort „lieber“ im oberen Zusammenhang aber ein Komparativ. Also eine Steigerungsform. Ich verstehe das Wort so, dass einem beides Recht ist, bei der Auswahl es dann aber doch einen mehr oder weniger klaren Favoriten gibt.

Würde bei mir also heißen: Brünett, vollschlank, Export, Rotwein, Zigarette mit Filter, Diesel, lecker-fettig, Musikhören. Trotzdem käme ich, bis auf ein, zwei Ausnahmen auch mit der jeweils anderen Auswahl zu Recht.

Wer spürt es? Die Überschrift ist falsch formuliert. Sie müsste heißen:

Was ist schlimmer: eine unfähige Regierung oder eine, die zu allem fähig ist

unfähig:

Das Wort können kommt mir in den Sinn. „Können wir morgen den Versand der Lieferung einplanen?“, fragt der Disponent. Das hängt mindestens von zwei Dingen ab: dem Können und dem Können. Wir können die Lieferung fertig machen, wenn alle Ware da ist. Oder wir können die Sendung fertig machen, wenn das Personal dazu in der Lage ist. Und auch hier noch Unterscheidungen. Sollte die Lieferung in Gefahr geraten, ist das Personal entweder zu knapp oder unfähig.

Wir reden hier vom Peter-Prinzip oder auch Unfähigkeitsprinzip (link). Zusammengefasst besagt es, dass berufliche Beförderungen an dem Punkt enden, an dem sich die Aufgabe für den Betreffenden als zu groß, als zu herausfordernd herausstellt. Andersrum betrachtet ist also ein guter Mitarbeiter noch nicht an dieser Grenze angekommen oder ein guter Bundeskanzler zu weit mehr fähig.

Sehr steil ist dabei die These von Laurence J. Peter (dem Begründer des Peter-Prinzips), dass man seine Energie vielleicht sinnvoller auf die Vermeidung einer Karriere verwenden sollte. Das betrachten wir ein andermal.

Nun aber zum Vergleich der beiden gedachten Regierungen.

Eine unfähige Regierung ist nicht in der Lage, das Volk zu regieren, obwohl ein guter Wille zu erkennen ist. Sie kann nicht mit Geld umgehen und investiert in Technologien, die – gar nicht unbedingt beabsichtigt – am Volkeswohl vorbei gehen. Sie interpretiert eine Gefahrenlage unter Zuhilfenahme von Frühindikatoren falsch und schließt treudoof Freundschaftsverträge mit Ländern und Organisationen, von denen nur die Gegenseite profitiert.

Eine Regierung, die zu allem fähig ist, ist in der Lage zu regieren. Das Volk ist ihr aber egal. Sie kann hervorragend mit Geld umgehen, verwendet und investiert dieses aber für Zwecke, die dem Volkeswohl nur mittelbar dienen, der Regierung aber unmittelbar. Gefahren muss sie gar nicht erkennen, da sie sie selbst heraufbeschwört, um mit dem daraus entstehenden und gewollten Chaos scheinbar geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mit diesen kann es das Volk gefügig machen und lenken.

Suchen Sie es sich aus. In welchem der beiden letzten Abschnitten sehen sie die aktuelle Regierung eher verortet?  Ist unsere Regierung nun unfähig oder zu allem fähig? Ich tendiere, wenn auch nur mit schwachem Ausschlag des Zeigers, zu Letzterem. Oder ist sie am Ende beides? Wie geht das denn?

mb

Bild von BedexpStock auf Pixabay

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