Glauben Sie wirklich, dass irgendjemand das Feuilleton der FAZ oder der NZZ liest? Der Papierabonnent vielleicht 2x im Jahr. Der Onlineabonnent wahrscheinlich nie.
Dabei ist der Redakteur jedes Mal aufs neu so stolz auf sich. Er hatte wieder einen genialen Gedanken (irgendwo geklaut) und braucht auch gar nicht lang, den Artikel zu schreiben. Meist reicht ihm für das Gerüst eine Viertelstunde. Wenn ihn die Muse küsst, fließt es geradezu aus ihm heraus. Er schreibt dann auch, ohne auf den Bildschirm zu schauen. Schreibfehler sind ihm erst mal wurscht – die Ejakulation darf auf keinen Fall unterbrochen werden. Dann schaut man noch zweimal drüber und macht die roten Wellenlinien des Schreibprogrammes weg, Kommabomber drüber – und ab dafür.
Das Warten
Das Schlimmste ist dann das Warten. Das Warten, bis der Artikel endlich veröffentlicht ist. Erst dann – wenn es schon zu spät ist – kommen dem Kolumnisten weitere Gedankenausschmückungen in den Sinn, die den Artikel irgendwie verständlicher und geerdeter hätten machen können. So bleibt er ein ständig Getriebener seiner Genialität.
Ein großer Antriebsfaktor für ihn ist natürlich auch zu wissen, dass sein Publikum (ca. 200.000 gedruckte Exemplare (FAZ) und etwa nochmal die gleiche Anzahl online) beim Aufschlagen der Zeitung zuallererst und ganz hektisch zu seinem Artikel blättert und er somit über immerhin einem halben Prozent der Bevölkerung eine direkte Meinungsmacht ausüben kann.
Gelesen und rezipiert wird das aber hauptsächlich von den Publizistenkollegen, die dann alles sezieren oder allerorten mit minimalen Veränderungen als eigenen Senf verkaufen.
Quantität ist nicht Qualität
Nur weil ein Artikel mehrere tausend Klicks hat, heißt das noch lange nicht, das da auch was drin steht. Wenn meine Artikel nur von einer Hand voll Interessenten gelesen werden, ist mir das egal. Die Wenigen haben jedenfalls was davon und können sich mit einer Gedankenquelle mehr ihr eigenes, persönliches Argumentationsgerüst stabiler aufstellen.
Wo sich die Intellektuellen verorten
Wir haben in den letzten Jahren viele spannende Entwicklungen beobachten können. Eine davon ist das intellektuelle Ausbluten der Linken. Seinerzeit wirklich mit guten Leuten bestückt, ist im Grunde durch den Abgang des Kabarettisten Georg Schramm, den ich für wesentlich geistreicher gehalten habe als Dieter Hildebrandt, das intellektuelle Licht dort aus. Gerhard Polt ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Henryk M. Broder, den ich seit seiner Deutschland-Safari über alle Maßen schätzte, ist wieder dahin zurückgekehrt, wo er herkam: ins links-liberale Eck. Schade um diesen großen Kopf. Und Richard David Precht fand ich schon immer unerträglich.
Und das alles im Grunde nur, weil sich diese Köpfe beharrlich weigern, die Zukunft des Abendlandes in seiner Herkunft zu verorten: im richtig gelebten Christentum. Diesen Satz habe ich noch nie irgendwo gehört oder gelesen. Es ist doch so offensichtlich, woran unsere Gesellschaft leidet. Sieht das denn niemand?
Aber ist das, was vernünftige Köpfe heute äußern, damit automatisch rechts?
Alice Schwarzer und Ihr Organ, die Emma, äußern neuerdings vernünftige Gedanken. Josef Kraus, altgedienter Philologe, Peter Hahne vom ZDF – sind die jetzt rechts? Und nicht zuletzt der von mir hoch verehrte Burkhard Müller-Ulrich. Radiomann seit Jahrzehnten, sogar früherer Leiter der Kulturredaktion des Deutschlandfunk. Er macht mir seit Jahren den durchgehend stabilsten Eindruck. Wenn er den Deutschlandfunk verlässt und neue publizistische Pfade geht (indubio und jetzt Kontrafunk) – ist der jetzt nach rechts gerückt oder driftet alles in Richtung Blödsinn ab?
Im Grunde gilt dasselbe für dieses Blatt
Hier ist absolut gar nichts rechts – zumindest nicht in der vom linken Mainstream diktierten Lesart. Hier hat die Vernunft ihren Platz, der gesunde Menschenverstand und das Wissen, woher man kommt und wohin man in Anstand zu gehen hat.
Dazu eine kleine Anekdote: Wir hatten in meiner Heimat einen inzestiösen Dorfdeppen: den Emil. Ein absolut lieber Kerl, der aber tatsächlich einen IQ nahe der Raumtemperatur hatte. Er konnte begnadet Holz hacken und Bier saufen. So wurde er durchs ganze Dorf gereicht, um auf jedem Hof das Holz für den Winter zu spalten. Die Kiste Bier als Lohn war ihm genug – Kost und Logie hatte er als Knecht beim Großbauern auf dem Vogtshof des Dorfes. Leutselig wie er war, hat er sich den Spaltstock immer zur Straße hingestellt und jeden Vorbeigehenden ausgefragt. Dabei blitzte ein kleiner philosophischer Schimmer durch:
Wem ghörsch du? Wo chunsch her? Wo gohsch hii?
Ich mochte Emil – Gott hab ihn selig!
mb
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