Von Klaus Schäfer
Ende Oktober hielt Angela Furmaniak, Fachananwältin für Strafrecht in Lörrach, im Hörsaal 3044 der Universität Freiburg einen Vortrag zum Thema „Juristische und politische Chancen eines AfD-Verbots“. Die Referentin gliederte ihren Vortrag in mehrere Abschnitte, begleitet durch eine Textprojektion an die Wand des Hörsaals. Wegen einer unzureichenden Beschilderung des Hörsaals verpasste der Verfasser dieser Zeilen die ersten zehn Minuten des Vortrags. Furmaniak startete mit drei möglichen Ansätzen, einen AfD Verbotsantrag zu stellen. Die ersten beiden, wohl politisch-juristischer Art, stellte die Referentin ganz zu Beginn vor. Sie deutete an, dass diese zwei Ansätze kaum Aussicht auf Erfolg haben dürften. Sie würden darauf hinauslaufen, die Absicht nachzuweisen, dass die freiheitlich-demokratische Ordnung abgeschafft beziehungsweise beeinträchtigt werden soll. Ein solches Verhalten könne man der AfD aber nicht nachweisen. Erfolgversprechender sei vielmehr ein dritter Ansatz. Dieser betreffe das Thema Wahrung der Menschenwürde.Wird dieser Punkt Stolperstein eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens?
Wahrung der Menschenwürde?
Die AfD propagiere einen völkischen Ansatz. Es müssten aber alle Bürger gleichbehandelt werden. Ein entsprechendes Papier des Bundesverfassungsgerichts liege vor. Dies entspreche dem Rechtsstaatsprinzip. Rechtsanwältin Furmaniak verwies darauf, dass Karlsruhe bestätigt habe, dass der Bruch nur eines der drei Prinzipien durch eine Partei zu deren Verbot führen könne. Es müssten demnach nicht alle drei Prinzipien gebrochen werden. Insofern bestehe durchaus eine gewisse Erfolgsaussicht auf ein Verbot, da die AfD das Gleichbehandlungsprinzip aller Bürger nicht anerkenne.
Auch das Parteiprogramm der AfD sei nicht verfassungswidrig
Jedoch spiele bei einer Entscheidung über ein Verbot der Partei mit, wenn sich Anhänger oder Mitglieder der Partei verfassungsfeindlich äußerten. Allerdings müssten sich dann auch höhere Parteifunktionäre diesen Äußerungen anschließen. Eine Rolle bei einem Parteiverbotsverfahren spiele auch die sogenannte Potentialität. Diese mache eine Aussage darüber, inwieweit eine Partei überhaupt in der Lage sei, die Verfassung zu überwinden. Dieses Kriterium sei bei dem seinerzeitigen Verbotsverfahren gegen die NPD nicht unerheblich gewesen, da die Kleinstpartei NPD aufgrund ihrer Größe keine Chance auf Abschaffung der Verfassung gehabt habe. Anders sei dies bei der AfD, welche eine ernst zu nehmende Größe sei.
Erfüllt die AfD die Kriterien für ein Parteiverbotsverfahren?
Referentin Furmaniak bestätigte, dass sich mögliche Kriterien nicht aus dem Parteiprogramm der AfD ergäben. Zwar gebe es aus den Bundestagsreden einzelner AfD-Abgeordneter immer wieder Hinweise, die ein Verbotsverfahren rechtfertigen könnten. Diese Äußerungen würden jedoch später von anderen Parteimitgliedern abgeschwächt und seien insgesamt nicht greifbar. Ferner seien Äußerungen im Parlament nicht wirklich relevant. Deshalb hätten sich viele Organisationen, NGOs und Gliederungen der anderen Parteien zusammengesetzt, um nach verfassungswidrigen Äußerungen von AfD-Funktionären zu suchen. So seien, auch mit Unterstützung von Professoren, entsprechende Materialsammlungen erstellt worden.
Die Einleitung eines Verbotsverfahrens
Entweder könne der Bundestag darüber abstimmen. Die absolute Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen sei für einen Verbotsantrag ausreichend. Einen Antrag könne auch der Bundesrat stellen. Hierzu benötige auch dieser die absolute Mehrheit. Und ferner sei dies auch der Bundesregierung möglich, die mit einfacher Mehrheit dafür stimmen müsse. Nach einer positiven Abstimmung stelle man dann einen Verbotsantrag in Karlsruhe. Zunächst erfolge durch das höchste Gericht eine Vorprüfung des Antrages. Werde bei dieser dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, komme es zum Hauptsacheverfahren. Für ein Parteiverbot bedürfe es dann einer Zweidrittelmehrheit des Richterkollegiums. Reiche es zu einem Verbot der gesamten Partei nicht aus, könne Karlsruhe auch nur Teile der Partei verbieten. Bei einem Verbot entfallen alle Mandate, das Parteivermögen wird eingezogen und die parteinahe Stiftung erhalte keine staatlichen Fördermittel mehr (was sie ja bekanntermaßen bislang ohnehin nicht erhält).
Pro und Kontra eines Verbotsantrags aus Sicht der befürwortenden Referentin
Angela Furmaniak machte aus ihrer Meinung keine Mördergrube! Ihrer Meinung nach sei kein Verbot risikoreicher als ein Verbot. Der Versuch, die AfD politisch zu stellen, sei gescheitert. Ein Verbot sei zwar kein Wundermittel. Rassismus und menschenverachtende Einstellungen verschwänden nicht. Ein Verbotsverfahren sei aber die Ultima Ratio. Die Demokratie werde durch ein Verfahren weder beschädigt noch gestört. Denn die AfD lehne eine fortschrittlich-freiheitliche Demokratie ab. Bei einem Verbotsverfahren werde sich die AfD in die Rolle eines Opfers begeben. Ferner spräche für ein Verbot, dass damit ihre Regierungsbeteiligung ausgeschlossen sei. So werde auch der Einfluss ihrer Demokratiefeindlichkeit in Schulen, öffentlichen Einrichtungen, Kindergärten, bei Polizei oder Bundeswehr verhindert. Ferner würden dadurch Zentren der organisierten Rechten zerschlagen werden. Rechtsanwältin Furmaniak bestätigte, dass im Bundestag auch „ausgemachte Nazis“ säßen. Durch ein Verbot könne die AfD zudem im öffentlichen Diskurs denormalisiert werden. Ferner könne so eine Radikalisierungsspirale verhindert werden. Schließlich komme es zu einer Mäßigung des öffentlichen Diskurses. Über dies hinaus werde so die Brandmauer gestärkt. Abschließend plädierte die Referentin für einen Verbotsantrag, da die AfD eine „verfassungswidrige Partei“ sei.
Applaus von Studenten
Der Vortrag wurde mit tosendem Applaus durch den völlig überfüllten Hörsaal bestätigt. Nahezu alle Anwesenden, weitgehend junge Menschen im Alter von Studenten, pflichteten der Freiburger Fachanwältin bei. Anschließend erfolgte eine Podiumsdiskussion mit Fragen aus dem Publikum. Zu diesem Zweck waren Vertreter der Kartellparteien vor Ort: Linke, Grüne, SPD und CDU, die sich zu dem Thema äußerten. Es begann Vinzenz Glaser (Die Linke, Mitglied des Deutschen Bundestages). Zunächst bekannte er sich zum Antifaschismus. Er bekräftigte, sich für das Verbot einer „faschistischen Partei“ einzusetzen. Die Mitglieder der AfD äußerten sich angeblich verfassungswidrig und in einer menschenverachtenden Art und Weise. Nach einem Verbot sei der Faschismus jedoch nicht zu Ende. Man müsse der „Faschistisierung“ der Gesellschaft auch durch Unterstützung der Zivilgesellschaft entgegenwirken. Es sei eine Verschiebung politischer Diskussionen nach rechts zu beobachten. Was gestern noch als unsagbar galt, werde jetzt offen diskutiert, meinte der Linksextremist.
Anschließend kam Katrin Kern von der CDU, Stadträtin und Polizeioberkommissarin, zu Wort. Der Moderator begrüßte es, dass sie sich in diese Veranstaltung hineingewagt habe. Dafür erhielt sie bescheidenen Applaus. Katrin Kern meinte, dass die CDU das Verbot kritisch sehe. Nach einem solchen würden sich viele Menschen von den etablierten Parteien nicht mehr gesehen, nicht mehr wahrgenommen fühlen. Man solle diesen Menschen jedoch aktiv zuhören. Nichtsdestoweniger sei es schlimm, wenn der Verbotsantrag scheitere.
Danach wurde das Wort an Chantal Kopf von den Grünen, Mitglied des Deutschen Bundestages, gegeben. Sie sprach ihren Dank all denen aus, die sich für ein Verbotsverfahren engagieren. Die AfD halte sich nicht an die Spielregeln der demokratischen Grundordnung. Es sei nicht mit der Verfassung vereinbar, einen Unterschied zwischen „echten Deutschen“ und „Passdeutschen“ zu machen. Ferner sei die AfD ein Risiko für Deutschland, was die Spionage für China und Russland beträfe.
Zum Schluss sprach Viviane Sigg, SPD-Stadträtin in Freiburg. Sie betonte, dass die AfD die Stimmung im Freiburger Kommunalparlament angeblich vergifte. Man solle unbedingt das Prüfverfahren für ein AfD-Verbot einleiten. Junge Menschen würden durch diese Partei negativ beeinflusst. Das müsse verhindert werden.
Es fiel auf, dass keiner der Vortragenden die Frage aufwarf, warum sich die AfD derzeit in einem Höhenflug befindet. Lediglich die Vertreterin der CDU, Katrin Kern, wies darauf hin, dass sich die Menschen nach einem möglichen Verbot der AfD nicht mehr gehört fühlen könnten.
Ändert sich nach dem Verbot etwas?
Völlig außer Acht gelassen wurde also, dass sich durch ein Parteiverbot die Zustände in Deutschland nicht ändern werden. Folglich wurde die darüber hinaus gehende Frage nicht gestellt, was dann mit diesen Menschen, in Mitteldeutschland mittlerweile knapp 40 Prozent, passieren werde. Berücksichtigt man, dass zumindest ein Teil der CDU-Wähler sich – wie bei der vergangenen Bundestagswahl geschehen – eine Änderung der Politik durch ihre Stimmabgabe an die CDU erhofften, die dann jedoch nicht eintrat, kann der Kreis derjenigen, die sich eine Änderung der Zustände erhoffen, auf weit über 50 Prozent geschätzt werden. Alle diese Menschen würden nach einem AfD-Verbot jedoch förmlich im Regen stehen gelassen werden. Könnte es dann zu einer Radikalisierung, sprich zu einer Außerparlamentarischen Opposition, im schlimmsten Fall zu einem Bürgerkrieg, kommen?
CDU würde noch mehr getrieben!
Bei der Diskussion unberücksichtigt blieb ebenso die Tatsache, dass nach einem AfD-Verbot die drei ganz linken Parteien Linke, Grüne und SPD die CDU vor sich hertreiben könnten, da sie automatisch in fast allen deutschen Parlamenten die Mehrheit besäßen. Die Ziele der drei linken Parteien könnten also im Schnellschussverfahren auch gegen den Willen der CDU durchgezogen werden, was die „stehengelassenen Bürger“ in eine noch extremere Lage versetzen könnte. Unabhängig davon blieb die Frage unerwähnt, wie eine ökosozialistische Politik, die dann auch ohne das Mitwirken der CDU auf allen Ebenen konsequent umgesetzt werden könnte, das finanziell-wirtschaftliche Überleben unseres Landes garantieren würde.
Wahrheit ausgeblendet
Von keinem der Redner wurde erwähnt, dass die AfD sehr wohl zwischen völlig unterschiedlichen Gruppen von Ausländern unterscheidet. Ein gut integrierter Zugereister, der sich an unsere Spielregeln hält, Steuern zahlt und ein unauffälliges Leben führt, wurde im Rahmen der Diskussion mit allen Zwischenstufen bis hin zu kriminellen, verurteilten, zur Abschiebung freigegebenen Straftätern gleichgesetzt. Unabhängig von der Beurteilung der Sinnhaftigkeit dieser Podiumsdiskussion stellt der Verfasser dieser Zeilen die Frage, was denn gewesen wäre, wenn die AfD eine Veranstaltung an der Universität Freiburg beantragt hätte. Hätte man ihr überhaupt einen Raum überlassen und falls ja, hätte sie ihre Veranstaltung durchführen können? Eine rhetorische Frage, denn die Antwort kennen wir alle. Das Ganze hat einen Namen: „Unsere Demokratie“. So enden die Worte des Verfassers dieser Zeilen mit dem alten leiteinischen Spruch: „Quidquis agis, respice finem“ (Was auch immer Du tust, bedenke die Folgen!).
Beitragsbild / Symbolbild und Bild in der Mitte: Sina Ettmer Photography; Bild unten: AndriiKoval / Shutterstock.com
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