Von Jan Ackermeier

Am 7. Oktober 1765 kamen in New York City 27 Abgesandte aus neun britischen Kolonien zusammen. Sie waren Kaufleute, Juristen und Politiker – Männer, die sich erstmals über Koloniegrenzen hinweg vereinten, um gegen eine gemeinsame „Bedrohung“ aufzutreten: die Stempelsteuer, den sogenannten Stamp Act. Dieses britische Gesetz verpflichtete alle amerikanischen Siedler, für Urkunden, Zeitungen, Verträge und sogar Spielkarten eine Steuer an London zu zahlen. Jeder dieser Gegenstände musste mit einem Stempel versehen sein, der nur gegen Gebühr erhältlich war. Was in London wie eine harmlose Abgabe zur Finanzierung des Empire erschien, wurde in Amerika als Angriff auf die Freiheit verstanden. Die Kolonisten sahen darin eine Verletzung ihres Grundsatzes „No taxation without representation“ – keine Besteuerung ohne Vertretung im Parlament. Denn in Westminster sass kein einziger Abgeordneter, der die Interessen der Kolonien vertrat.

Der Stamp Act Congress tagte bis zum 25. Oktober
In dieser kurzen Zeit entstand ein Dokument, das Geschichte schreiben sollte: die Declaration of Rights and Grievances. Darin erklärten die Abgesandten, dass nur ihre eigenen Parlamente Steuern erheben dürften und dass die Briten die Rechte der Kolonisten missachteten. Die Erklärung war respektvoll formuliert, aber deutlich im Ton – ein diplomatischer Protest, der die Grundzüge späterer Unabhängigkeitserklärungen vorwegnahm. Der britische König ignorierte die Forderungen. Doch das Bewusstsein in den Kolonien hatte sich verändert. Zum ersten Mal empfanden sich die Menschen in Massachusetts, Virginia oder New York als Teil einer größeren Gemeinschaft. Die Idee eines geeinten Amerikas begann zu keimen – geboren aus einem einfachen Steuerstreit. Nur zehn Jahre später, 1775, griffen die Kolonien zu den Waffen. Der Weg von New York 1765 nach Philadelphia 1776 war kurz – und er begann mit jenem Treffen am 7. Oktober.

Beitragsbild / Symbolbild: Der Tagungsort des Stamp Act Congress, die City Hall in New York (Gebäude existiert heute nicht mehr). Urheber unbekannt.

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