Von John Duke of Lancester

Die wirtschaftliche Lage in Frankreich ist derzeit besorgniserregend und birgt weitreichende Konsequenzen für die Inflation, die europäische Finanzstabilität und womöglich die globale Konjunktur. So belief sich das Haushaltsdefizit im Jahr 2024 auf 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 2025 wird es konservativ mit 6,1 Prozent beziffert – ein Anstieg, der die prekäre Finanzlage verdeutlicht. Nun lehnte am 8. September 2025 das französische Parlament eine Sparreform ab, was zum Rücktritt von Premierminister François Bayrou führte. Präsident Emmanuel Macron steht nun vor der Herausforderung, einen neuen Regierungschef zu ernennen, der dauerhaft im Amt regieren kann. Als Nachfolger hat er inzwischen Sébastien Lecornu benannt. Und die Opposition, allen voran der Rassemblement National und linke Parteien, blockiert weiterhin Reformen, da ihre Ansätze fundamental von denen der Regierung abweichen. Das macht Frankreich äußerst instabil!

Italien dauerhaft schlecht aufgestellt
Im Vergleich dazu steht Italien mit einer Schuldenquote von 135 Prozent zwar schlechter da, hat jedoch in den vergangenen Jahren keine so rasante Verschlechterung erlebt. Japan übersteigt mit 236 Prozent eine noch höhere Schuldenquote, profitiert aber davon, dass diese Schulden überwiegend im Inland gehalten werden, was externe Risiken minimiert. Frankreich hingegen kämpft mit externen Gläubigern, steigenden Zinsen und einem Vertrauensverlust an den Finanzmärkten.

Die innenpolitische Situation der „Grande Nation“
Radikale Reformen nach dem Vorbild Argentiniens unter Javier Milei bleiben in der EU undenkbar, da sie mit den sogenannten „Europäischen Werten“ unvereinbar sind. Selbst ein Versuch würde auf erheblichen Widerstand stoßen. Rund 5,5 Millionen Staatsbedienstete und eine Rentenlast von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIPs) bilden eine mächtige Interessengruppe, die Sparmaßnahmen entschieden ablehnt. In den Banlieues leben mehr als zwei Millionen Menschen nordafrikanischer oder subsaharischer Herkunft, vielfach in Parallelgesellschaften ohne Loyalität zum französischen Staat. Kürzungen sozialer Leistungen drohen hier unmittelbare Unruhen auszulösen. Die einheimische Bevölkerung wiederum ist für ihre ausgeprägte Streikkultur bekannt – anders als die deutsche Pragmatik droht in Frankreich jeder Reformversuch in Chaos oder gar Kollaps zu münden.

Macrons Flucht in die Außenpolitik und das TPI
Macrons Kriegsrhetorik im Ukraine-Krieg wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. Ähnlich wie der deutsche „Außen“kanzler Friedrich Merz, verfolgt Macron eine aggressive Linie, um innenpolitische Schwächen zu kaschieren. Die Fokussierung auf den Krieg bindet EU-Mittel, die sonst für die Haushaltskonsolidierung nötig wären, und lenkt von den Defiziten ab. Wer fragt nach leeren Kassen, wenn die geopolitische Lage im Vordergrund steht? Die Antwort der Europäischen Zentralbank ist das Transmission Protection Instrument (TPI), ein Mechanismus zum Ankauf französischer Staatsanleihen. Doch während es bei Griechenland um Milliarden ging, steht in Frankreich ein Volumen im Billionenbereich im Raum – eine Belastung, die die EZB an ihre Grenzen bringen könnte.

Was bringen Wahlen und wie geht es weiter?
Selbst ein Wahlsieg des Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen würde keine schnelle Lösung der Verschuldungskrise garantieren. Anders als Javier Milei in Argentinien, der als politischer Außenseiter weitreichende Freiheiten besaß, wäre Le Pen an die Interessen von Parteifreunden, Gewerkschaften und Wählergruppen gebunden, darunter zahlreiche Beamte. In den USA bremste Donald Trump die Reformen von Elon Musk, um die Interessen der Republikaner zu schützen; in Frankreich droht ein ähnliches Szenario. Dennoch könnte Symbolpolitik – etwa eine Reform der Migrationspolitik, Privatisierungen oder Steuersenkungen – einen positiven Impuls setzen und die Stimmung im Land verbessern. Ob dies für eine nachhaltige Wende ausreicht, bleibt fraglich. Frankreich steht vor der Herausforderung, zwischen innenpolitischem Druck und europäischen Zwängen einen Weg aus der Krise zu finden.Vielleicht heißt es dann am Ende „Im Westen nichts Neues“.

Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: saiko3p /  Shutterstock.com

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