Von Dario Herzog
Endlich! Wenn man einen Vorstoß der schwarz-roten Bundesreierung nicht ad hoc kritisieren sollte, ist es die Schaffung des neuen Digitalministeriums. Ein eigenständiges Digitalministerium ist ein wichtiger Schritt, um die dringend benötigte und von Vorgängerregierungen sträflich vernachlässigte Digitalisierung in Deutschland strategisch und effizient voranzubringen. Derzeit sind digitale Themen auf mehrere Ministerien verteilt, was zu Zuständigkeitswirrwarr, langsamen Entscheidungen und fehlender Koordination führt. Ein zentrales Ministerium könnte – die Betonung liegt auf könnte – Verantwortung bündeln, Prioritäten setzen und digitale Vorhaben aus einer Hand steuern. Wir erinnern uns: bislang war das Thema Digitalisierung hauptsächlich beim Wirtschaftsministerium gebündelt. Robert Habecks Leistungen in diesem Bereich sind nicht bekannt, die seines Vorgängers Peter Altmaier noch weniger. Was kommt nun? Wird es wirklich besser?
Viele Ziele
Gerade bei der Modernisierung der Verwaltung – etwa beim Ausbau von E-Government – ist Tempo gefragt. Ein Digitalministerium könnte Standards definieren, technische Vorgaben entwickeln und die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen verbessern. So ließen sich doppelte Strukturen vermeiden und bundesweit einheitliche Angebote schaffen. Zudem hätte ein solches Ministerium eine klare wirtschaftliche Signalwirkung: Digitalisierung wäre damit nicht länger ein Nebenthema, sondern ein politischer Schwerpunkt. Länder wie Estland oder Dänemark zeigen, wie viel effizienter ein zentral gesteuerter Digitalstaat funktionieren kann. Auch die gebündelte Expertise in Bereichen wie IT-Sicherheit, Datenstrategie oder Infrastruktur würde konkrete Fortschritte ermöglichen. Schließlich ließen sich öffentliche Investitionen gezielter steuern. Statt verstreuter Einzelprojekte könnten Mittel strategisch eingesetzt und nach Wirkung priorisiert werden. Ein Digitalministerium ersetzt zwar keine gute Digitalpolitik – aber es könnte die nötigen Strukturen straffen, um sie wirksam umzusetzen. Und wieder liegt die Betonung auf „könnte“…
CDU am Ruder
Erfreulicherweise hat sich bei der Besetzung des wichtigen Amtes die CDU durchgesetzt und Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung ist Karsten Wildberger – bislang kein Politiker, sondern Wirtschaftsfachmann. Man könnte also denken, ein Fachmann aus der Wirtschaft, zuletzt Manager bei der Media-Saturn-Holding, würde am Anfang seiner Tätigkeit als Minister mit wirklich ernsthaften Projekten durchstarten. Aber Pustekuchen: In einem Interview mit dem Handelsblatt legte er dar, dass er die Einführung einer digitalen Identität für nötig erachtet. Ausweisdokumente, Führerschein, Bahnfahrkarten, Zeugnisse, berufliche Abschlüsse, Bankvollmachten, Kreditkarten und vieles mehr: alles könne digital zusammengeführt werden. Hört sich doch auf den ersten Blick gut und sinnvoll an, oder? Denn für viele mag die Einführung einer digitalen Identität nach Fortschritt klingen, doch was technologisch fortschrittlich ist, kann gesellschaftlich auch ein Rückschritt sein. Demokratie lebt nicht nur von freien Wahlen, sie lebt auch von der informationellen Selbstbestimmtheit der Bürger. Denn nur wenn die Bürger sich nicht überwacht fühlen, werden sie überhaupt einen offenen Diskurs pflegen. Gerade die vielbeschworenen Lehren aus der Vergangenheit – nicht zuletzt etwa der Corona-Vergangenheit – sollten uns bewegen, von einer totalen Kontrolle der Bürger Abstand zu nehmen. Staatliche Übergriffe in private Angelegenheiten hat dieses Land schon zu oft gesehen. Keinesfalls ist man künftig hiervor gefeit. Wieso also sollte man nun eine Infrastruktur schaffen, die die totale Überwachung der Bürger künftig perfektioniert?
Das sieht auch die AfD kritisch
‚Im Zweifel für die Freiheit‘, war ein Leitspruch ehemals führender Politiker dieses Landes. Aber das ist lange her. Und selbstredend geht es bei der digitalen Identität auch um eine Abwägungsfrage. Das sieht auch Peter Boehringer, stellvertretender Bundessprecher der AfD, der trotzdem davor warnt:
„Auf der einen Seite locken mögliche Effizienzgewinne in Bürokratie und Verwaltung und es lockt die Bequemlichkeit, die jedem Bürger mit Smartphone einen vermeintlich problemlosen Gang durch die staatlichen Institutionen erlaubt, wenn er im Gegenzug dafür seine Bürgerrechte auf Diskretion, Privatheit und Anonymität aufgibt. Es ist nicht auszuschließen, dass irgendwann sogar die Gesundheitsangaben der digitalen Patientenakte mit der digitalen Identität verknüpft werden. Vor all diesen Schritten kann man nur warnen. Das ist es genau nicht, was die AfD unter einem schlanken und modernen Staat versteht. Staatliche Bürokratie und Übergriffigkeit bekämpft man durch die Aufhebung von Gesetzen und Vorschriften – und nicht, indem man bestehende Gesetze und Vorschriften digital handhabbar macht. Die Effizienzgewinne, die man durch Aufhebung von Gesetzen heben kann, sind auch um Größenordnungen höher.“
Wenige kritische Stimmen
Nicht nur die AfD entscheidet sich im Zweifel für die Freiheit. Aber es sind wenige, die vor den in die Freiheit eingreifenden möglichen Maßnahmen warnen. Während die FDP auf der politischen Ebene paralysiert erscheint, nahezu tot ist, übernimmt die AfD mit ihren Zweifeln mittlerweile sogar die Tradition der Bürgerrechtler und Freiheitspolitiker dieses Landes, weitaus mehr als es die selbsternannten Demokraten der sogenannten Mitte tun. So erklärt Boehringer weiter:
„Zwar ist es zutreffend, dass viele Bürger auch freiwillig sehr freigiebig mit ihren Daten umgehen. Doch das gibt der Politik noch lange kein Recht, diese Bereitschaft allgemein vorauszusetzen. Gerade mit dem Blick auf China und die EU, die sich diesbezüglich immer weiter annähern, wird ein immer größerer Anteil der Bürger auf seine informationelle Selbstbestimmtheit Wert legen, und dies hat die Politik auch zu respektieren. Bürgerrechte sind ein unveräußerlicher Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Verfasstheit und dürfen nicht auf dem Altar des Fortschritts- und Digitalisierungsglaubens geopfert werden.“
Mehr ist eigentlich dazu nicht zu sagen. Daher wundert es, dass Digitalminister Wildberger nicht als erstes Pläne zur Digitalisierung und vor allem zum Bürokratieabbau kundtut, sondern Dinge nennt, die zum gläsernen Staatsbürger führen könnten. Nachtigal ick hör Dir trapsen, heißt es im Volksmund so passend…
Beitragsbild / Symbolbild und Bild oben: SWKStock; Bild darunter: PopTika / beide Shutterstock.com
Abonnieren Sie auch unseren Telegram-Channel unter: https://t.me/Freiburger74Standard
Die FDP ist nicht einfach paralysiert, im Gegenteil – wenn es um die Totaldigitalüberwachung ging war sie schon seit langem ganz vorn dabei. Oder um es mit den dämlichdenglischen Worten des wie unfrisch aus dem Badezimmer gefallenen Blindners mitten in der Zeit der NSA-Aufdeckung zu formulieren: Digital first, Bedenken second. Leider ist auch die AfD da eher schwach: Plädiert gegen Zensur und für Bargelderhalt, aber kaum wedelt jemand mit der Bezahlkarte läuft sie mit Hurra reihenweise kopflos mit.