Von Jan Ackermeier

Am 20. Jänner 1793 fordert die französische Revolution ihr prominentestes Opfer: Der französische König Ludwig XVI. wird auf der Guillotine hingerichtet. Im Zuge der Ereignisse der Revolution wurde das Verfahren gegen den König am 11. Dezember 1792 vor dem Nationalkonvent gegen den nunmehr zum Bürger „Louis Capet“ (nach Hugo Capet, dem ersten Kapetingerkönig des Westfrankenreiches) Degradierten eröffnet. Dieser Konvent, eigentlich ein Organ der Legislative, der aber zunehmend exekutive Gewalt gewann, spiegelte treffend die Radikalisierung der Revolution. Die Girondisten, die in der vorangegangenen Gesetzgebenden Nationalversammlung noch zu den Radikalen gehört hatten, die der Abschaffung des Königtums und dem Krieg gegen Europa das Wort redeten, waren nun die Gemäßigten, denen die Montagnards (Bergpartei) – Jakobiner und Cordeliers – fast gleich stark gegenüberstanden, dazwischen die Plaine (Ebene), die mal der einen, mal der anderen Seite zuneigte.

Der Macktkampf
Für Girondisten und Montagnards wurde das Verfahren zum Machtkampf. Für Maximilien de Robespierre, einen Führer der Jakobiner, war der Fall klar: Weil die Revolution über den König gesiegt hatte, konnte sie ihm keinen Prozess machen, der womöglich mit einem Freispruch geendet hätte. Denn das wäre gleichbedeutend mit einem Schuldspruch gegen die Revolution: „Ludwig muß sterben, weil das Vaterland leben soll.“ In dieser politischen Frontstellung hatten Ludwigs Anwälte mit ihren formaljuristischen Argumentationen keine Chance. Am 14. Jänner 1793 begannen die entscheidenden Sitzungen. Abgestimmt wurde über Schuld, Appell an das Volk, Strafmaß. Die erste Frage beantworteten 673 von 718 Abgeordneten mit Ja. Der Appell an das Volk wurde mit 423 gegen 286 Stimmen abgelehnt. Für die Todesstrafe, über Stunden hinweg abgegeben in einzelnen Voten, waren von 721 Abgeordneten 387 und 334 dagegen. Da sich aber 26 der Zustimmenden für einen Aufschub ausgesprochen hatten, erging das Urteil mit nur einer Stimme Mehrheit. Als am 19. Jänner noch einmal über den Strafaufschub abgestimmt wurde, waren 383 dagegen und nur 310 anwesende Konventsmitglieder dafür.

Urteil war wahrscheinlich
Ludwig soll das Urteil mit Fassung aufgenommen haben. Seine Bitten, seine Familie noch einmal ohne Zeugen zu sehen und vor einem Priester, der sich dem Eid auf die Revolution verweigert hatte, die Beichte ablegen zu dürfen, wurden ihm gewährt, nicht aber der Wunsch, sich selbst das Haupthaar für die Hinrichtung zu stutzen. Am 21. Jänner 1793 um 8.30 Uhr setzte sich die Kutsche vom Gefängnis Temple zum „Place de la Révolution“ (vormals Place Louis XV.) in Bewegung. Fast 80.000 Bewaffnete und zahllose Zuschauer säumten den Weg. Ein Augenzeuge berichtete: „Der König stellte sich der Maschine gegenüber […] Das Messer fiel […] Der abgeschlagene Kopf wurde dem Volke vorgewiesen.“ Umgehend wurden die „blutigen Reste“ auf den Madeleine-Friedhof gebracht und in einem Massengrab seiner Schweizergardisten begraben, die beim Sturm auf die Tuilerien ihr Leben gelassen hatten.

Sieg oder Tod?
Für die Republik ging es von nun an um Sieg oder Tod. Über die Frage, wie dieser Sieg über alle Feinde errungen werden konnte, radikalisierte sich von nun an die Debatte, deren logische Konsequenz die Terreur wurde, die Herrschaft des Wohlfahrtsausschusses und seines Terrors. Zehntausende, die Ludwigs Tod vielleicht noch bejubelt hatten, starben unter der Guillotine – auch einer der radikalsten Vertreter der revolution, Robespierre, fand auf dem Schafott sein Ende. Es war eine bittere Ironie der Geschichte, dass der letzte König des französischen Ancien Régime auf makabre Weise den Weg in die Zukunft Frankreichs gewiesen hatte. Die letzten Worte des Königs vor seiner Hinrichtung waren: „Ich sterbe unschuldig an den Unglücksfällen, die das Reich treffen. Ich vergebe denen, die mir den Tod wünschen. Möge mein Blut das französische Volk besänftigen. Gott, schütze Frankreich!“

Beitragsbild / Symbolbild: Ludwig XVI. verabschiedet sich von seiner Familie (zeitgenössische Darstellung). Urheber unbekannt.

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