Von Jan Ackermeier

Am 2. Dezember 1848 dankt der österreichische Kaiser Ferdinand I. überfordert von den Geschehnissen der Märzrevolution und des Oktoberaufstands ab. Sein 18-jähriger Neffe folgt ihm als Franz Joseph I. auf den Kaiserthron. Die Unruhen der Märzrevolution 1848 veranlaßten den leitenden Minister Fürst Klemens von Metternich, am 13. März 1848 zurückzutreten und das Land zu verlassen. Am 15. März hob Ferdinand I. – nunmehr beraten von Graf Leopold Wilhelm von Kolowrat-Krakowsky, den er zum ersten Ministerpräsidenten Österreichs überhaupt machte – die Zensur auf und setzte am 25. April mit der Pillersdorfschen Verfassung weitere Schritte der Liberalisierung, die den Revolutionären aber nicht genügten. Vertreter der Nationalgarden, der Arbeiter und der Studenten Wiens übergaben am 15. Mai in der Wiener Hofburg, zu der sie sich Zutritt verschafft hatten, die „Sturmpetition“ mit wesentlich weiter gehenden Forderungen; Ferdinand und sein Hof zogen es daher am 17. Mai vor, in die Innsbrucker Hofburg zu übersiedeln.

Regieren wurde schwer
Zwar kehrte der Kaiser Mitte August 1848 in die Hauptstadt zurück, begab sich aber nach dem Ausbruch des Oktoberaufstandes nach Olmütz. Das Regieren war längst ein Reagieren auf Forderungen aus dem Volk geworden: Im Laufe des Jahres „verbrauchte“ der ratlose Kaiser nicht weniger als sechs Ministerpräsidenten. In Beratungen mit den engsten Familienmitgliedern wurde dem kinderlosen Kaiser daher empfohlen, die Regierung abzugeben. Die Familie sprach sich gegen Ferdinands Bruder Franz Karl, dem der Thron gemäß den Hausgesetzen rechtmäßig zugestanden hätte, als Nachfolger aus. Speziell Franz Karls Gattin, Erzherzogin Sophie, empfahl einen Generationswechsel zu beider Sohn Franz Joseph, dem Neffen Ferdinands. Franz Karl verzichtete daher auf die Thronfolge, Ferdinand stimmte zu und legte im Palais des Olmützer Erzbischofs am 2. Dezember 1848 die Regierung zu Gunsten Franz Josephs nieder. Einem Zeugen (Hübner) zufolge hat Ferdinand dabei zu seinem Neffen Franz Joseph gesagt: „Gott segne dich, sei brav, es ist gern geschehen.“

Geschickter Kaufmann
Nach der Regierungsübergabe – sie wurde nicht als Abdankung bezeichnet und Ferdinand führte den Kaisertitel bis zum Tod – lebte Ferdinand zurückgezogen in Mähren und auf dem Hradschin, der königlichen Burg in Prag. Mit 55 Jahren entwickelte er ein bis dahin nicht gekanntes Talent und übernahm selbst die Verwaltung der vom Herzog von Reichstadt ererbten böhmischen Güter, deren Erträge er durch sehr geschickte Verwaltung steigern konnte. Ferdinands persönliches Vermögen bildete nach seinem Tod den Grundstock für das Vermögen Kaiser Franz Josephs I.

Die „getrennte Bestattung“
Am 29. Juni 1875 starb Ferdinand I. in Prag. Kaiserin-Witwe Anna starb am 4. Mai 1884. Beide wurden, wie viele andere Habsburger, in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt. Bei Ferdinands Tod kam noch das traditionelle Ritual der „getrennten Bestattung“ zur Anwendung, so dass sein Herz in der Loretokapelle der Wiener Augustinerkirche begraben wurde, während seine Eingeweide in der Herzogsgruft des Wiener Stephansdoms beigesetzt wurden. Ferdinand I. gehört damit zu jenen 41 Personen, deren Körper auf alle drei traditionellen Wiener Begräbnisstätten der Habsburger (Kaisergruft, Herzgruft, Herzogsgruft) aufgeteilt wurden. Zum Zeitpunkt des Todes seiner Witwe wurde die „getrennte Bestattung“ am Wiener Hof nicht mehr praktiziert.

Beitragsbild / Symbolbild: Die (tatsächlich so nicht stattgefundene) Krönung Franz Josephs im Thronsaal der fürstbischöflichen Residenz von Olmütz, Gemälde von Josef Klaus, 1849.

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