Von David Saintclair
Es wird dieser Tage viel gerätselt und spekuliert, was für den überraschenden Wahlsieg von Donald J. Trump eigentlich ausschlaggebend war. Und natürlich stellt sich die Frage, was die deutsche Opposition angesichts der anstehenden Neuwahl daraus lernen könnte. Die Beantwortung der Frage „Was hat Harris falsch und was hat Trump richtig gemacht?“ ist allerdings komplex. So ist die Antwort auf diese Frage zwar mehrschichtig, allerdings doch am Ende recht simpel und lautet zusammengefasst: so ziemlich alles! Denn die Ausgangslage für Harris war von vornherein denkbar schlecht.
Das große Strippenziehen
Nach Bidens Senilitätsdebakel in der Debatte gegen Trump hat er seine Partei einen ganzen Monat lang in der Schwebe gehalten, während seine Familie und seine Leute alle möglichen Strippen gezogen haben, um die Macht für sich zu erhalten. Nachdem diese Bemühungen schlussendlich scheiterten, war die Kandidatur frei. Für Harris blieb lediglich eine „gebrauchte“ Kandidatur, eine „Second-Hand-Kandidatur“. Jedes politische Wesen mit einem Funken Instinkt wird etwas Derartiges meiden wie der Teufel das Weihwasser. Eine „gebrauchte“ Kandidatur wird praktisch immer und auf jeder politischen Ebene verloren gehen, sofern es einen halbwegs ernsten Gegenkandidaten gibt. Denn dann gilt: man ist nicht der Beste, den die eigenen Leute nach vorne schicken, sondern nur die zweite Garnitur. Und das weiß der Wähler, bewusst oder unbewusst. Es war zu deutlich spürbar, wie auffallend still die sämtliche anderen potentiellen Kandidaten der Demokraten waren. Niemand hat „Hier, ich! Nehmt mich!“ gerufen – nicht Newsom, nicht Yang, nicht mal Buttigieg. Außer Kamala Harris, die ihre einzige Chance auf eine Präsidentschaft endlich gekommen sah und die nicht – wie alle die anderen politisch ernstzunehmenden künftigen Kandidaten – noch etwas zu verlieren hatte.
Kein Interesse bei erster Garde
Hätte irgendwer anderes aus der ersten Garde auch nur entferntes Interesse geäußert, hätten die großen Strippenzieher der Demokraten Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit sie nicht eine Vizepräsidentin, die in den vergangenen Jahren eine bedauerlich ausgeprägte Neigung zu bedeutungslosen leckeren Nachmittagscocktails entwickelte, ins Rennen um das wichtigste Staatsamt schicken müssen. Nun ist auch eine solche Kandidatur gewinnbar. Schlechte Startbedingungen kann man wettmachen, wenn man zum Ausgleich einen sehr guten Kandidaten hat, eine Spitzenkampagne fährt und nicht zuletzt auch über ausreichend finanzielle Mittel verfügt. Die Mittel waren kein Problem. Wie mittlerweile bekannt ist, hatten die demokratischen Spender sage und schreibe eine Milliarde Dollar bereitgestellt. Eine Milliarde! Für deutsche Verhältnisse unvorstellbar, aber für die USA eben halbwegs normal. An Geld hat es also nicht gefehlt.
Fehlte es an einer guten Kampagne?
Es fehlte an einer guten Kandidatin und einer guten Kampagne. Ihr merkwürdiges Lachen, zudem ihre Angewohnheit, sich bei freien, ungeprobten Antworten in abstrusen Gedankengängen zu verheddern, ihre Uninformiertheit in Detailfragen, das alles machte Kamala Harris zu einer wenig präsentablen Kandidatin. Ihre Kampagne war sich dessen bewusst und hat sie solange wie nur irgend möglich von Interviews ferngehalten. Als nach dem initialen Pressehype und der Debatte mit Trump die Umfragewerte zu sinken begannen, hat man sie schließlich Interviews mit freundlich gesinnten Medien führen lassen, die mehr oder weniger nichtssagend endeten. Das einzige Interview mit einem nachhakenden Fragesteller bei Fox war dagegen die voraussehbare Katastrophe.
Keine gute Strategie?
Ebenso katastrophal war die Kampagne und deren Strategen. Man hatte zwar erkannt, wie dringend Harris von allzu offener Interaktion ferngehalten werden muss, aber das war es dann auch mit guten Einfällen. Jetzt kamen die schlechten, inhaltlich wie propagandamäßig. Inhaltlich bestand die Harris-Kampagne aus zwei Themen: Abtreibung und Trump ist Hitler. Nun hatte Trump aber bereits bis vor vier Jahren regiert und die Leute hatten gesehen, dass Trump kein Hitler ist. Vielleicht ist er etwas durchgedreht, bestimmt ein Narzist, aber definitiv keiner wie Hitler. Rein propagandistisch war dieses Narrativ deswegen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, es war sogar recht kontraproduktiv. Und im Angesicht von hohen Inflationspreisen bei Lebensmitteln und Energie, überbordender Migration sowie Kriegen in der Ukraine und Nahost das Sekundärthema Abtreibung hochkochen zu wollen, kann wohl nur einem Haufen lebensferner feministischer Aktivistinnen einfallen. Und offensichtlich bestand die Kampagnenleitung aus ebensolchen „Wettkämpfer_innen“.
Mittelklassestammwählerschaft ausschlaggebend
Über das inhaltliche hinaus hat man es dann geschafft, wichtige Kernstammwählergruppen zu vergrätzen. Bei der Auftaktwahlkampfveranstaltung von Harris hatte man beispielsweise für zehn Millionen Dollar die schwarze Rapperin Megan Thee Stallion auftreten lassen, die auf der Bühne ihre musikalischen Künste darbot und dazu „twerkte“. Wenn der geneigte Leser nicht weiß, was „Twerking“ ist, sollte er froh sein. Man erhoffte sich davon wohl, Punkte bei den schwarzen Wählern zu machen. Nach dem Motto: „Yeah, Rap, eure Kultur, schwarze Hip-Hop Bros, wählt Kamela!“ Nun ist es aber so, dass diese Art Kunst eine Zielgruppe anspricht, die auf gar keinen Fall eine Frau, egal ob schwarz, weiß oder gepunktet, als Führungsfigur ins Weiße Haus wählen würden. Auch nicht, wenn es nur um Touristenführungen ginge. Viel schlimmer war aber die Wirkung dieses Auftritts auf die eigentliche Zielgruppe, die schwarzen Mittelklassestammwählerschaft. Die, die aus dem „low wage“-Segment entkommen, großen Wert auf bürgerliche, vielleicht auch kleinbürgerliche Werte legt und die „Twerking“ im Rahmen einer seriösen Veranstaltung, bei der auch ältere Bürger zugegen sind, als höchst anstößig empfanden. Und zum anderen diejenigen, die ihr Selbstbild missachtet sahen, indem man ihnen etwas für die „N*ggas from da hood“ vorsetzte. Diese Leute werden vermutlich nicht gleich reihenweise republikanisch gewählt haben, aber sie sind bestimmt auch nicht herumgelaufen und haben sich bemüht, Freund und Familienangehörige für die Wahl zu aktivieren, wie sie es für Obama taten.
Hispanos blieben sehr konservativ
Der anderen wichtigen Stammwählergruppe, den Hispanos, hat die Demokratische Partei seit vier Jahren weiszumachen versucht, wie fortschrittlich es sei, wenn – ganz wertneutral ausgedrückt – Menschen, die mit einem Penis ausgestattet sind, Toiletten und Duschräume aufsuchen dürfen, die für Menschen bestimmt sind, die mit einer Vagina ausgestattet sind. Und die Harris-Kampagne hat nicht einmal versucht, sich davon zu distanzieren, um die LGBTQ+-Aktivisten nicht zu verärgern. Man hätte sich nur einmal ein, zwei Videos eines Papstbesuchs in Mittelamerika anschauen müssen, mit den Menschenmengen, die bei diesen Anlässen auf den Straßen unterwegs sind, um zu wissen, wie diese katholisch sozialisierten Menschen Transgenderthemen bewerten. Man kann zwanzig Umfragegringos zu einem Latino oder einer Latina schicken und die werden denen immer sagen „Aye, Amigo, I vote Etrump because la economia“. Sie werden denen nie ihre wahre Meinung sagen „Aye, si esos pendejos locos quiere ser chicas, entonces deberian cortarse la verga. No voy a eligir esta mierda marica“. Die genaue Übersetzung ist hier nicht wiedergebbar, aber es hat im weitesten Sinne mit dem Abschneiden von Geschlechtsteilen zu tun.
Wie konnte man sich auf Harris-Seite so verschätzen?
In jeder Hinsicht wird schmerzlich offenbar, dass die Harris-Kampagne und die Kampagnenmacher, die dort das Sagen hatten, schlicht und einfach keine Ahnung von gerade den Menschen hatten, deren Interessen sie vorgeblich besonders vertreten wollten. Nicht von den Schwarzen, nicht von Latinos und auch nicht vom „minimum wage“-Arbeitnehmer, der unter der Inflation stöhnt. Folgerichtig ging die Wähleransprache in weiten Teil fehl. Obendrein war Kamela Harris mit einem weiteren Unheil konfrontiert, das jeder Politfunktionär fürchtet: dem unkonventionellen Gegenkandidaten. Der unkonventionelle Gegenkandidat zeichnet sich in der Regel durch Unberechenbarkeit, seine nicht zwingend logischen, aber überraschenden Aktionen sowie sein Agieren außerhalb des politischen Konsensrahmens aus. Das macht das übliche Kungeln schwierig. Auf der anderen Seite scheitern diese Gegenkandidaten meist aus Unerfahrenheit, mangelnder Vernetzung, mangelnden Mitteln und Unwissen, was die juristischen Formalien und Verfahrensregeln angeht.
Gegenkandidat unterschätzt
Nun war der Gegenkandidat von Harris nun einmal Donald Trump. Das war der Kandidat, der alles Positive des Unkonventionellen maximal ausreizen konnte, ohne von einem einzigen der üblichen und ausnutzbaren Nachteile belastet zu sein. Der Mann ist reich, war schon einmal Präsident, hat die gesamte republikanische Partei so im Sack, dass er sie politisch neu sortieren konnte und dazu auch ein ganzes Rudel von Juristen, das über die Formalia wachte. Und als wäre das alles noch nicht genug, überlebt der Mann auf nahezu wundersame Weise ein Attentat so knapp, dass er beinahe hätte sterben müssen. Und hatte dazu auch noch genug Geistesgegenwart und politischen Instinkt, nochmal die Faust hochzureißen, bevor sie ihn von der Bühne zerren. Jedem, der die Geschichte der USA hinsichtlich geglückter und missglückter präsidialer Attentate kennt, war in diesem Moment klar, die Wahl ist gelaufen. Trump wird siegen, egal welche Fehler er im Wahlkampf eventuell macht oder was er vom Stapel lässt, wenn er wieder mal in Fahrt ist.
Ein Zeichen Gottes?
Praktisch alle Gläubigen in den Staaten, und davon gibt es dort eine Menge, sahen in dem Attentat ein Zeichen Gottes. Sogar die Amischen, die sonst nie wählen, haben die Kutschen angespannt und sind zum Wahllokal gefahren. Der Durchschnittsamerikaner hat sich an JFK erinnert und in dem Moment gewusst, wen er wählen wird. Für die MAGA-Leute war es ebenfalls eine Art Erweckungserlebnis, deren Aktivierungsgrad stieg in schwindelnde Höhen. Wahltaktisch ist dies ein absoluter Alptraum, wenn man gegen so etwas antreten muss. Dass Harris in den einzelnen Staaten überhaupt so nah an Trump herangekommen ist und das Wahldebakel nicht noch viel gravierender war, dürfte sie zum großen Teil den Massenmedien verdanken. Printmedien wie auch das Fernsegen waren es, die unter Aufgabe auch nur eines Ansatzes von Neutralität massiv Pro-Harris und vor allem Anti-Trump publizierten. Und mit dabei natürlich die üblichen Verdächtigen unter den demokratischen Counties, wo vermutlich wieder mal die Friedhöfe mitgewählt haben und in Altersheimen das beliebte Spiel „betreutes Wählen“ praktiziert wurde.
Was hat Trump nun gemacht?
Eigentlich nichts besonders. Trump war einfach für sechs Wahlkampfmonate Trump, mit der republikanischen Wahlkampfmaschine und der MAGA-Bewegung im Rücken. Man kann ihn mögen, man mag ihn hassen, aber er war genau wie ihn jeder kannte, hat das getan, was jeder von ihm erwartete, keine Überraschungen. Der gemeine Wähler an sich schätzt das. Und die Trump-Kampagne hat die drei Dinge getan, für die Wahlkampfmanager bezahlt werden, nämlich zuerst die zum Wahlzeitpunkt richtigen Themen zu identifizieren und dazu eine populäre Lösung für den Kandidaten zu formulieren, die der dann nach außen tragen kann. Als nächstes die im Vergleich mehr oder weniger profane Aufgabe von Organisations- und Terminmanagement. Und als letztes, aber wichtiges Problemreaktion und Krisenmanagement. Man hat sich in keinem dieser Bereich größere Fehler erlaubt und so lief die Kampagne rund auf die Wahl zu, mit Ausnahme des Attentats, und man konnte genüsslich zusehen, wie beide Kandidaten der Demokraten, erst Biden, dann Harris, vorhersehbar den Bach runtergingen, während man sein eigenes Ding durchzog. Hätte die demokratische Partei nach Biden einen fähigen, charismatischen Kandidaten aufgestellt, wäre man auf Seiten der Republikaner ins Schwitzen gekommen, aber so wie die Dinge liefen, wird man in Mar-A-Lago hochgradig zufrieden gewesen sein.
Massenmedien die kalte Schulter gezeigt
Etwas ist aber doch erwähnenswert an der Trump-Kampagne, was sie von allen bisherigen Wahlkämpfen der jüngeren Geschichte abhebt: Trump hat so gut wie keinem der etablierten Massenmedien Interviews gegeben. Nicht wie bei Kamala Harris, die versteckt werden sollte, sondern weil es allen Beteiligten klar war, dass sowieso kein Imagegewinn dabei herauskommt, sondern im Gegenteil: es bringt nur Nachteile. Was man nun neben den in USA üblichen TV- und Print- Anzeigen noch gemacht hat, ist das tatsächlich Interessante: Man hat statt auf „Access Media“, also Presse, der man im Gegenzug für freundlich gesinnte Berichterstattung irgendwas gibt, beispielsweise Exklusivzugang, Anzeigenvolumen oder was auch immer, konsequent auf „Earned Media“ gesetzt. In Deutschland würde man von „Alternativen Medien“ sprechen, wie etablierte YouTuber, bekannte Podcasts etc. Die drei Interview-Stunden von Trump bei Joe Rogan beispielsweise dürften am Ende noch die letzten Unentschlossenen bewegt haben. Man darf sich sicher sein, dass derartig lange Formate in Zukunft einen erheblichen Aufschwung erleben werden – hüben wie drüben.
Was könnte die AfD aus dem US-Wahlkampf lernen?
Das ist das, was die deutsche Opposition im Allgemeinen und die AfD im Besonderen aus der US-Wahl mitnehmen kann. „Vergesst die Großen, die wollen Euch ohnehin nichts Gutes, warum wollt Ihr sie füttern?“ Statt sich eine Stunde lang von Illner und irgendwelchen anderen gerade anwesenden Systemschranzen in unfairen Formaten anpöbeln zu lassen, es es sinnvoll, sich lieber zehn kleinen alternativen Medienangeboten mit vielleicht nur jeweils zehntausend Followern eine Viertelstunde zu präsentieren. Wirkungsvoll ist: Statt fünf Minuten Redezeit bei Lanz, in der man ständig unterbrochen wird, drei Stunden vernünftige Konversation in einem Podcast, in denen man seine Gedanken in vernünftiger Form darlegen kann. Unabhängig davon, ist der amerikanische und der deutsche Wahlkampf kaum miteinander vergleichbar und nur wenig lässt sich übertragen. Die inhaltlichen Themen sind dafür in dieser Zeit die ziemlich gleichen: Lebenshaltungs- und Energiekosten, Migration, Genderwahnsinn, und in Deutschland noch zusätzlich der Ukrainekrieg. Man kann der AfD nur raten, diese Themen politisch auszureizen, am besten mit Lösungen mit Alleinstellungsmerkmal. Und die alternativen Medien sollten stärker genutzt werden, dann ist ein gutes Ergebnis wahrscheinlicher! Auch ein wenig Trollerei oder das gezielte Setzen von Tabubrüchen schadet garantiert ebenfalls nicht!
Beitragsbild / Symbolbild und ganz oben: Svetfoto; Bild in der Mitte: TSViPhoto; Bild unten: Jonah-Elkowitz/ alle Shutterstock.com
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