Von Jan Ackermeier
Am 23. August 1946 löst die Militärregierung der Britischen Besatzungszone die preußischen Provinzen und Freistaaten in ihrem Zuständigkeitsbereich auf und gründet die Länder Nordrhein-Westfalen, Hannover (später Niedersachsen genannt) und Schleswig-Holstein. Einer dieser aufgelösten Freistaaten war das frühere Fürstentum Lippe. Lippe war im deutschen Kaiserreich von 1871 (und auch davor seit knapp 800 Jahren) ein eigenständiges Fürstentum und wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein Freistaat. Unter den Nationalsozialisten war Lippe als eigene Verwaltungseinheit ein Teil des Gaues Westfalen-Nord.
Lippe wurde im April 1945 von US-amerikanischen Truppen besetzt und bei der Aufteilung Deutschlands der britischen Verwaltungszone zugeordnet. Die britische Militärregierung ernannte als Landespräsidenten – beziehungsweise Ministerpräsidenten – Heinrich Drake, letzter demokratischer lippischer Landespräsident bis 1933. Gleichzeitig stand er an der Spitze von Schaumburg-Lippe. Eine volle Souveränität genoß Lippe aber angesichts der britischen Besatzung und des geltenden Besatzungsrechts nicht. Sowohl Landtag (ernannt 1946) als auch Landespräsident (1945) wurden von der Militärregierung ernannt und mussten die Auflösung des Landes nolens volens hinnehmen.Das Bundesland Niedersachsen entsteht
Am 23. November 1946 verordnete die britische Militärregierung die Vereinigung der Länder Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe zum neuen Land Niedersachsen. Wegen der Haltung der britischen Militärregierung, die bei der Neuordnung Deutschlands größere Länder bilden wollte, war schon früh klargeworden, dass auch das verbleibende Lippe-Detmold, der ehemalige Freistaat Lippe, als selbstständiges Land nicht bestehenbleiben würde. Widerstrebend, aber mit erheblichem Verhandlungsgeschick unter Führung des letzten Ministerpräsidenten Drake, akzeptierte man so nach über 800 Jahren die Aufgabe der letzten Reste staatlicher Selbstständigkeit.
NRW erhält den Zuschlag
Lippe entschied sich nach Verhandlungen sowohl mit dem neu gegründeten Land Niedersachsen als auch mit dem bereits seit 1946 bestehenden Land Nordrhein-Westfalen für die Eingliederung in Nordrhein-Westfalen (NRW), das zu weitergehenden Zugeständnissen und Anreizen für Lippe bereit war. Die Lipper verfügen traditionell bis heute über einen ausgeprägten Regionalpatriotismus und verhandelten daher zäh über die Zugeständnisse für einen Beitritt zu einem der beiden neuen Bundesländer. Die Grundlagen für die Zugeständnisse wurden in den sogenannten „Lippischen Punktationen“ vereinbart. Diese bestimmten, dass das ehemalige Landesvermögen nicht an das Land Nordrhein-Westfalen fiel, sondern von einer eigenen Institution, dem 1949 gegründeten Landesverband Lippe, verwaltet werden sollte. Dazu gehörten neben den ehemaligen Besitzungen der lippischen Fürstenfamilie weitere Einrichtungen des Landes Lippe, wie das Landestheater Detmold, die Lippische Landesbibliothek Detmold und die Staatsbäder in Bad Salzuflen und Bad Meinberg. Außerdem wurde festgelegt, dass die ehemalige Landeshauptstadt Detmold Sitz eines Regierungspräsidenten werden sollte. Auch die Aufnahme der lippischen Rose in das neue Landeswappen Nordrhein-Westfalens wurde hier festgelegt. Der heutige Landesteil Lippe bildet seit der Kreisgebietsreform 1973 durch Gründung des Kreises Lippe verwaltungstechnisch und politisch eine territoriale Einheit, die in der Tradition des alten Landes Lippe steht.
Beitragsbild: Grenzstein zwischen dem Fürstenthum Lippe und dem Königreich Preußen in Wüsten-Pehlen. Urheber unbekannt.
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